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SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Mascolo
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Abendessen fuhren, folgten sie uns, sperrten Straßen, mit Hunden und Mannschaftswagen, und zückten ihre Waffen. Die haben sogar die Kinder ans Auto gestellt. Als ob wir Terroristen wären.
    Helene Beltracchi:  Dann fragten die Ermittler nach Waffen. Sind Pinsel Waffen?
    SPIEGEL:  Und die Kinder?
    Helene Beltracchi:  Wussten von nichts. Die standen da im Regen und waren völlig entsetzt. Wolfgang hat immer nur gemalt, wenn die Kinder in der Schule waren.
    SPIEGEL:  Die Anzahl der Bilder wollen und können Sie nicht verraten. Aber wie viele Künstler waren es?
    Beltracchi:  Ungefähr 50 in meinem gesamten Leben.
    SPIEGEL:  Wissen Sie eigentlich, wo Ihre Bilder jetzt überall sind?
    Beltracchi:  Nein.
    SPIEGEL:  Vielleicht fallen sie demnächst in dem einen oder anderen Museum von der Wand?
    Beltracchi:  Lassen wir sie doch hängen. Wäre es nicht reine Eitelkeit, wenn ich Ihnen jetzt sagen würde, wo noch welche hängen könnten?
    SPIEGEL:  Unter einem umfassenden Geständnis stellt man sich etwas anderes vor.
    Beltracchi:  Moment mal. Ich habe ein Geständnis abgelegt zu den Bildern, die Gegenstand des Prozesses waren. Ansonsten: Wenn die Kripo mich damals gefragt hätte, hätte ich den Ermittlern gesagt, wo die Bilder sind, soweit ich es weiß.
    Helene Beltracchi:  Wenn jemand vermutet, dass bei ihm zu Hause ein Beltracchi hängt, dann soll er sich melden.
    Beltracchi:  Und er bekommt eine ehrliche Antwort.
    SPIEGEL:  Haben Sie jedes Bild im Kopf, das Sie gefälscht haben?
    Beltracchi:  Jedes. Dort sind auch die 300   000, 400   000 Bilder drin, die ich mir in meinem Leben angeschaut habe. Man hat ganz schön Platz da oben.
    SPIEGEL:  Würden Sie noch immer fälschen?
    Beltracchi:  Ich hätte schon ein paar Maler in Reserve. Aber mich hat es mehr und mehr gestört, meine Bilder falsch zu signieren. Ich hatte auch irgendwie keine Lust mehr. Ich fühlte mich nicht mehr wohl.
    SPIEGEL:  Genug Lücken in der Kunstgeschichte gäbe es?
    Helene Beltracchi:  Das Internet macht es viel schwerer, diese Lücken zu finden. Alles ist dokumentiert. Und für die Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg ist es geradezu unmöglich. Dieser amerikanische Fall, der Ende des vorigen Jahres gemeldet wurde, gefälschte Pollocks, de Koonings, Rothkos, das kann nicht funktionieren.
    Beltracchi:  Das hätte ich auch malen können. Nichts leichter als ein Pollock.
    SPIEGEL:  Mangelndes Selbstbewusstsein ist nicht Ihr Problem.
    Beltracchi:  Nein. Ich kann alles malen. Leonardo? Natürlich. Aber warum? Kann man nicht verkaufen.
    SPIEGEL:  Was ist Ihre beste Arbeit?
    Beltracchi:  Die waren eigentlich alle gut. Das große Waldbild nach Max Ernst, das fand ich sehr schön. Und auch einen Campendonk, diese Widmung an Else Lasker-Schüler, ein Bild, das es wirklich gegeben hat, das aber verschollen ist. Ich hatte in der Gesamtausgabe bei Suhrkamp, Band 3,1, Seite 104, ein Prosastück von ihr gefunden, zwei, drei Seiten nur, es heißt "Künstler", da habe ich Elemente für das Gemälde rausgenommen. Mich würde interessieren, wie das echte ausgesehen hat.
    SPIEGEL:  Es gibt Kunstkritiker, die Ihre Fälschungen zur Konzeptkunst erklären, weil Sie damit die Absurditäten des Kunstmarkts thematisieren.
    Helene Beltracchi:  Damien Hirst sagt, der Kunstmarkt selber ist Kunst. Der legt seine Serienbilder auf den Tisch oder seinen Diamantschädel: Leute, ich verarsche euch jetzt. Und die Leute machen mit.
    SPIEGEL:  Der Kunstmarkt entscheidet darüber, was Kunst ist und was nicht. Gäbe es einen anderen Weg?
    Beltracchi:  Keine Ahnung. Sie sprechen ja immer über Moral.
    SPIEGEL:  Na und?
    Beltracchi:  Müssten Sie sich denn nicht fragen, wie es sein kann, dass Gerhard Richter sich selbst öffentlich darüber mokiert, dass ein Bild zwölf Millionen Euro kostet? Der Markt ist bereit, diese Summen zu zahlen. Nur derjenige, der am Ende der Kette steht, zahlt die gesamte Zeche.
    SPIEGEL:  Sie haben kräftig daran verdient.
    Beltracchi:  Ja, und ich kann nur sagen, dass ich mich nicht schämen würde, eigene Kunst ganz teuer zu verkaufen.
    SPIEGEL:  Würden Sie selbst viel Geld für das Bild eines Künstlers ausgeben?
    Beltracchi:  Die erste Frage wäre: Könnte ich das nicht selber malen? Die zweite: Gibt es überhaupt eins, das ich möchte? Jeder Mensch hat Bilder im Kopf, die ihm wichtig sind. Die Geburt meiner Tochter, das ist zum Beispiel ein Bild, oder als ich das erste Mal meine Frau gesehen habe. Bilder der Liebe kann man

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