SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
haben's echt nicht kapiert. Das ist Haute Couture." Sie schaut sehr ernst. Bühlbecker auch. "Geniale Marketingstrategie", sagt sie.
Wenn ihr Chef den Platz für all die Geschichten über ihn und seine Partys als Anzeigen buchen müsste, wäre er verloren. Seine Gewinn-und-Verlust-Rechnung ist klar: Auf der Habenseite stehen Wiedererkennung und Werbewert, was in einer Gesellschaft, in der Bushido vom Burda-Verlag einen Integrations-Bambi bekommen kann, viel bedeutet.
Ruhm ist der neue Reichtum. Wer wüsste das besser als der Ex-Drückerkönig Carsten Maschmeyer, der es nicht wegen seiner Millionen in die "Bunte" geschafft hat, sondern weil seine Lebensgefährtin nun Veronica Ferres ist.
Auf Bühlbeckers Negativseite stehen neben den Partykosten allenfalls noch ein paar hämische Kommentare. Damit kann er leben, zumal es neben dem Firmenpatron und dem Printenprinzen noch einen dritten Bühlbecker gibt: den Privatmann.
Einst wurde er von seiner Tante und seinem Onkel adoptiert, steuerlich war das bei der Firmenübernahme nicht von Nachteil. Damals war er 26. Jetzt ist er 61.
Hermann Bühlbecker ist verheiratet, hat eine Tochter, die zurzeit in Paris zur Schule geht und irgendwann den Betrieb übernehmen soll. Von ihr ist noch nie ein Bild in der Zeitung erschienen. "Homestorys mache ich nicht", sagt der Papa. Ein öffentliches Leben wie die Geissens würde er weder wollen noch ertragen.
"Die Geissens" sind ein Kölner Unternehmer-Ehepaar, das sich regelmäßig für eine Doku-Soap von RTL II beim Irgendwie-reich-Sein beobachten lässt. Robert Geiß hatte früher eine Bodybuilder-Klamottenfirma namens "Uncle Sam", deren Verkauf ihm und seiner Gattin Carmen zu einem gewissen Wohlstand verholfen hat. Jetzt macht er in Immobilien und sie in dubio pro Shoppen.
Das Milieu, das er einst zu seinem Kundenkreis zählte, scheint seinen Lifestyle durchaus beeinflusst zu haben. Die beiden Töchter der "Geissens" heißen Davina Shakira und Shania Tyra. Im März will RTL II die dritte Staffel ihrer Alltagsabenteuer zeigen. Carmens vorwurfsvoll zerdehntes "Rooobert" gibt es mittlerweile als Klingelton, die Fan-Seiten auf www.geissens.de sind voller Hymnen darüber, wie "voll porno" die Familie sei.
Das Überraschende ist: Je ärmer die Leute, desto leidenschaftlicher scheinen sie ausgerechnet die Geissens zu lieben. Es könnte sogar sein, dass sie diese Familie deshalb so verehren, weil die als prollige Aufsteiger-Guerilla die wohlgeordneten Zirkel des alten Geldes aufmischt.
So unterschiedlich die Phänomene Bühlbecker und Geissens sind, zeigen beide doch: Als Karikatur geht Reichtum hierzulande immer – im Guten wie im Schlechten. Sie reduzieren die Komplexität des Finanzkapitalismus auf Statussymbolik. Sie geben der Anonymität der ominösen "Märkte" Gesichter. Es darf gelacht werden – mal begeistert, mal hämisch. Der rumänische Autohersteller Dacia hat zuletzt Erfolge gefeiert mit einem Werbespot, in dem ein Upperclass-Golfspieler vor seinem Clubheim auf einen Kleinwagen-Eindringling eindrischt.
TV-Servicekräfte wie Frauke Ludowig auf RTL präsentieren dazu einen Reichtum, der Botox-beladen im Zobel durch St. Moritz stolpert, sich im Sommer beim Beach-Polo in Timmendorfer Strand trifft oder Champagner-Partys auf Kampens Whisky-Meile feiert. Das Schön-Perfide: Die Kapitalismuskritik wird von diesen sogenannten Reichen gleich mitgeliefert.
Aber typisch für deutsches Geld sind die alle nicht, was sich schon daran zeigt, wie schwer es andererseits ist, echte Reiche als Zielgruppe anzusprechen. Ein bisschen ist es wie mit den Senioren, die man in der Reklame auch um Gottes willen nicht Senioren nennen darf: Wahre Reiche wollen nicht "reich" genannt werden.
Wer zum Beispiel sichergehen will, dass eine Großveranstaltung allenfalls vom Praktikanten der Lokalzeitung und schlecht beleumundeten Lederjackenträger aus dem Bahnhofsviertel besucht wird, nennt sie einfach "Millionärsmesse". Das mit viel Aplomb gestartete Reichen-Magazin "Rich" musste nach drei Ausgaben wieder dichtmachen. Das schrecklich ambitionierte Grandhotel Heiligendamm hat vergangene Woche Insolvenz anmelden müssen. Viele Touristen waren zwar zum Reichen-Gucken gekommen, was die eigentlich umworbene Klientel aber abschreckte. Und Mercedes hat von seinem Prestige-Modell Maybach (Preis: ab 400 000 Euro aufwärts) bundesweit zuletzt nicht mal mehr zwei Dutzend Exemplare jährlich verkauft.
"Die Deutschen gehen mit dem Thema Reichtum noch immer
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