SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
Josef Ackermann, als er vor dem Düsseldorfer Landgericht die Finger zum Victory-Zeichen spreizte. Er war damals nur Zeuge in einem Prozess, und Ackermanns Kommunikationsstrategen haben seither alles versucht, den harmlosen Hintergrund der Geste zu erklären. Dummerweise sind Bilder umso mächtiger, je klarer sie eine bereits vorhandene Stimmung illustrieren. Ackermann wurde der Prototyp des arroganten Bankers.
"Die Leute akzeptieren auch Ungleichgewichte, wenn sie zugleich den Eindruck haben, dass nach oben eine gewisse Durchlässigkeit gewährleistet ist", sagt dann wieder Gerhard Cromme. "Auch dieser Glaube hat in den letzten Jahren gelitten – und zwar zu Recht. Die Lage der deutschen Mittelschicht wird immer prekärer. Welche Familie mit zwei, drei Kindern in der Ausbildung kann denn heute noch von einem Gehalt alleine leben?"
Wer die Augen schließt, könnte jetzt fast glauben, einem Occupy-Anhänger zuzuhören, nicht Mister Deutschland AG: "Oben werden sie immer reicher, unten herrscht im günstigsten Fall Stagnation. Ich glaube fest an das Solidarprinzip unserer Gesellschaft. Dazu müssen auch die Besserverdiener ihren Beitrag leisten."
So ein Satz wird nicht dadurch falsch, dass er in einer Hightech-Lounge unterm Dach eines der größten Konzerne der Republik fällt. Oder dadurch, dass ihn jemand ausspricht, der als Aufsichtsrat die Gagen vieler Vorstandschefs mitbeschlossen hat. Aber auch Cromme weiß, dass es in der Wirtschaft nicht nur Schwarz und Weiß gibt, nicht nur die Bösen und die Guten. Es dominieren Grautöne in allen Schattierungen.
Als Cromme, damals noch Krupp-Chef, den Standort Rheinhausen schließen wollte, bewarfen ihn die Arbeiter mit Eiern. Monatelang stand eine Mahnwache der IG Metall vor seiner Haustür. Als Chef einer Regierungskommission hat er dann Regeln für bessere Unternehmensführung mitverfasst. Darin empfahl er zum Beispiel, dass Vorstandschefs nach ihrem Abschied nicht direkt in den Aufsichtsrat wechseln sollten, wo sie dann ihre eigenen Nachfolger kontrollieren. Cromme selbst war zuvor vom ThyssenKrupp-Vorstand direkt an die Spitze des Aufsichtsrats gewechselt. Zuletzt hat er sich dafür starkgemacht, dass auch Kontrolleure wie er mehr Geld bekommen. Er findet das nur fair. Cromme erhielt im Jahr 2010 für seine drei Aufsichtsratsmandate bei Allianz, Siemens und ThyssenKrupp 915 400 Euro – rund 15 Prozent mehr als im Jahr davor.
Dem Image der Eliten in Deutschland hilft vielleicht auch das nicht unbedingt, wobei man fairerweise sagen muss: Die Karikaturen und Inszenierungsprofis sind glücklicherweise nicht typisch, die Rebellen und Wohltäter leider nicht, die Abzocker, Trickser und Kriminellen beruhigenderweise nicht. Sie alle aber bestimmen die öffentliche Wahrnehmung von Reichtum, was schlimm genug ist für jene, die viel eher repräsentativ sind, aber dabei still statt schrill.
Von Markus Dettmer,
Katrin Elger,
Martin U. Müller und
Thomas Tuma
Die 1-Prozent-Partei
Drei erfolgreiche Endvierziger erzählen von ihrem Verhältnis zum Geld.
Station 4
Reiche wider Willen
Willkommen in der Unterschicht der Oberschicht! Hier werden Häuschen abbezahlt und die Kinder auf Privatschulen geschickt. Wohlhabend sind immer die anderen.
Wenn Volker Weber im Bio-Supermarkt die Einkaufsliste seiner Frau abarbeitet, muss er sich nicht über jeden Cent Gedanken machen. Manchmal leistet er sich am Wochenende auch eine unter Emissionsgesichtspunkten fragwürdige Montecristo für 20 Euro, weil ihm die Zigarren einfach schmecken.
Der Kredit für seine 230-Quadratmeter-Doppelhaushälfte in Berlin-Steglitz wird pünktlich bedient. Aber es nervt ihn doch enorm, wenn man ihn deshalb schon für Oberklasse hält.
Reich? Wer? Ich? "Mir geht es nicht schlecht", sagt der 49-Jährige. "Ich habe ein schönes Einkommen und kann mir das eine oder andere leisten. Aber wir leben nicht im Überfluss. Ich bin wirklich alles andere als reich."
Emotional betrachtet hat Volker Weber recht. Sozialpsychologen können wunderbar erklären, dass die eigene Reichtums-Definition nach oben angepasst wird, je höher man selbst steigt. Rein finanziell allerdings sollte er sich mit seinem Wohlstand abfinden. Ab einem Jahreseinkommen von 120 000 Euro brutto gehört man in Deutschland mittlerweile zum obersten einen Prozent der Bevölkerung.
Von wegen "Wir sind die 99 Prozent!", wie es die Occupy-Bewegung skandiert. Volker Weber ist Teil der 1-Prozent-Partei. Die hat deutlich mehr Mitglieder als
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