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Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013

Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013

Titel: Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Puhl (Vorwort)
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habe ihn berufen, alle Menschen in Südafrika zu retten.“
    De Klerk wußte sehr wohl, daß er seine Mission nur erfüllen konnte, indem er sich gegen sein eigenes Volk durchsetzte. Bei den Buren stößt der scheidende Präsident inzwischen auf mehr Groll als bei den meisten Schwarzen. Plakate in Ventersdorp, Hochburg der weißen Rassistenorganisation Afrikaaner-Widerstandsbewegung, zeigen ihn als Hund, der Nelson Mandelas entblößten Hintern leckt. Die ultrarechten Weißen boykottieren die Wahlen und fordern einen unabhängigen „Afrikaaner-Volksstaat“. Sie haben sich schwer bewaffnet und werden insgeheim von Mitgliedern der Sicherheitskräfte unterstützt. Sie ermutigten die Zulus zum Bürgerkrieg, um mit dem Chaos ihre Pläne realisieren zu können. Neonazis aus England, Holland, Deutschland und den USA gesellen sich zu ihnen, um an der letzten Front für die Vorherrschaft der weißen Rasse zu kämpfen.
    Ihre Erzfeinde, Mandela und de Klerk, stehen als Partner und Friedensnobelpreisträger zusammen, obwohl sich die beiden als politische Rivalen öffentlich heftig befehden. „Mandela hat die Kontrolle über den ANC verloren“, klagt de Klerk, „seine Leute brennen Häuser nieder und ermorden politische Gegner.“ Mandela wiederum beschuldigt den weißen Präsidenten, er dulde stillschweigend, daß Rassisten in den Sicherheitskräften die Gewalt schüren, um den Wandel zu torpedieren.
    Solche Vorhaltungen machten sich die beiden auch in einer für Afrika beispiellosen Fernsehdebatte zwölf Tage vor der Wahl: Der Herausforderer attackierte den Staatspräsidenten gnadenlos, aber am Ende ergriff er seine Rechte: „Ich bin stolz, Ihre Hand zu halten, damit wir vorankommen.“
    Vergeben, aber nicht vergessen - der weiße Reformer und der schwarze Revolutionär sind auf Gedeih und Verderb aneinander geschmiedet: Nur Mandela kann den Weißen Frieden versprechen; und nur de Klerk kann dafür sorgen, daß die von Weißen beherrschte Wirtschaft das Vertrauen in die Zukunft nicht verliert.
    „Ob es mir gefällt oder nicht, ich muß mit ihm zusammenarbeiten“, so Mandela über de Klerk. Der sagt über den ANC-Chef: „Wir sind in der Lage, unsere Differenzen beiseitezuschieben, wenn es darum geht, Südafrika Frieden zu bringen.“
    Als Opfer dieses Bündnisses sah sich Mangosuthu Buthelezi, Chiefminister des in der Provinz Natal gelegenen Homelands KwaZulu und Vorsitzender der Inkatha-Freiheitspartei. Der einstige Günstling der weißen Regierung rief zum Boykott der Wahlen auf. Er fürchtete eine Niederlage, denn etwa die Hälfte der über acht Millionen Zulus scheint nach Umfragen gewillt, Nelson Mandelas ANC zu unterstützen.
    Buthelezi hetzte seine Anhänger mit Hilfe seines Neffen, König Goodwill Zwelithini, auf, der Mitte März ein unabhängiges Zulu-Reich proklamierte. Seitdem steigerte sich die Konfrontation zwischen Inkatha-Aktivisten und ANC-Anhängern bis an die Schwelle des Bürgerkriegs.
    Doch eine Woche vor der Wahl geschah „ein Wunder“ (ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa): Nach letzten Gesprächen zwischen Buthelezi, Mandela und de Klerk ließ der Inkatha-Chef von seinem Starrsinn ab. Neue Zugeständnisse von ANC und Regierung ermöglichten die Kehrtwende: Die Zulu-Monarchie mitsamt ihren zeremoniellen Vorrechten wird in der Verfassung verankert. Dafür tritt das schon aufgelöste Parlament noch einmal zusammen.
    Die Chancen für einen friedlichen Wandel haben sich damit erheblich verbessert. Bei der Wahl sind nun alle großen Parteien vertreten, nur eine Handvoll Ultras - schwarze und weiße - verharren im Boykott.
    Noch türmen sich viele Hindernisse auf dem Weg zu einem Staat, in dem verschiedene Rassen und Völker friedlich zusammenleben. Noch ist der Alptraum nicht ganz gebannt, daß Südafrika zu einem neuen Bosnien werden könnte - einem Brennpunkt von Völkerhaß, Verblendung und ethnischen Vertreibungen.
    Aber wenn es denn Hoffnung gibt, dann beruht sie auf praktischer Vernunft und moralischer Autorität dieser beiden so ungleichen Männer, von denen der eine der Kerkermeister des anderen war - auf dem Zusammenspiel des Weißen de Klerk mit dem Schwarzen Mandela.

SPIEGEL-Titel 17/1994

Handschlag mit den Herrenmenschen
    Stolz steht der vornehme alte Mann auf der Bühne und zeigt die Faust wie in zornigen Zeiten. „Viva, Nelson Mandela“, schmeichelt ihm schweißnaß vor Dankbarkeit der örtliche Einpeitscher. „Viva“, schreit das Volk im Rund.
    „Lang lebe der Kampfgeist des

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