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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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frischen einmalig leckeren Blaubeerkuchen?«
    Ivan wollte. Ich zwang mich wegzusehen. Fehlte nur noch, dass ich ihn beim Essen anstarrte.
    Ksü nahm sich auch ein Stück. »Ich frag mich schon die ganze Zeit, warum Normale einen solchen Hass auf Pheen haben«, sagte sie mit vollem Mund zu ihrem Bruder. »Selbst Juli hier sitzt da und weiß nicht, was sie denken soll. Habe schon lange nicht mehr jemanden getroffen, der so einen Nebel im Kopf hat. Ist praktisch selber eine Phee, zweifelt aber erst mal an den Pheen als solchen und damit an der eigenen Existenz.«
    »Red keinen Scheiß!«, unterbrach ich sie wütend. »Ich bin normal. Und das ist auch gut so.«
    Ivan lächelte. »Warum hast du solche Angst davor, dass du eine Phee sein könntest?«, fragte er.
    »Weil … weil …« Wo sollte ich anfangen?
    »Vielleicht, weil die Pheen im Augenblick ein kleines Imageproblem haben«, half mir Ksü. »Oder, etwas genauer formuliert, ein riesengroßes.«
    »Nicht witzig«, unterbrach ich sie.
    »Es ist ihre Unsterblichkeit«, sagte Ivan ruhig, an mich gewandt.
    »Was?«
    »Die Pheen werden für ihre Unsterblichkeit gehasst. Das ganze Leben der Normalen dreht sich um ihre Angst vorm Tod. Deswegen muss alles genau geregelt sein. Sie ergreifen tausend Maßnahmen, aber das alles hat nur ein Ziel.«
    »Etwas später zu sterben?«
    »Nein.« Ivan pickte mit dem Zeigefinger einen Krümel von der Tischdecke auf und beförderte ihn in den Mund. »Die Angst vor dem Tod für einen Moment zu vergessen.«
    Ich hatte eine Gänsehaut. Ich dachte zum ersten Mal in diesen Tagen nicht über meine Mutter, sondern über meinen Vater nach. Papa war schon immer stolz drauf gewesen, normal zu sein, und hatte uns Kinder wieder und wieder drauf hingewiesen, was man normalerweise zu tun oder zu lassen hatte. Ich hatte gedacht, dass es eigentlich keine Alternative gab – man war entweder normal oder ganz verloren. Ich kannte niemanden persönlich, der nicht normal wäre. Solche Existenzen befanden sich außerhalb meiner Welt, die ich bis jetzt für sehr gemütlich gehalten hatte.
    Und es gefiel mir gar nicht, aber ich musste zugeben, dass an Ivans Worten etwas Wahres dran war.
    »Ach ja, damit du nichts Falsches denkst.« Ivan zögerte, während ich ihn erwartungsvoll ansah. »Die Geschichte von den Normalen und den Pheen hat auch ziemlich dunkle Kapitel. Beide Seiten haben sich … hm … vermutlich einiges vorzuwerfen. Das belastet ihr Verhältnis bis heute, zudem die Ereignisse von damals inzwischen zu Legenden geworden sind, die nicht mehr viel mit der historischen Wahrheit zu tun haben.«
    »Ähh … Was meinst du damit bitte genau?«, begann ich, aber Ksü schubste mich mit dem Ellbogen an und fragte ihren Bruder scheinheilig:
    »Sag mal, weißt du noch, wie die Malerin heißt, die dieses Mädchen da auf der Fensterbank gemalt hat?«
    Ivan schaute Ksü an. So ein Gesicht hatte ich noch nie gesehen – es war nur auf den ersten Blick ruhig, aber ich hatte das Gefühl, dass sich dahinter etwas verbarg, was abgrundtief traurig und zugleich ziemlich feierlich war. Und ein ganz klein wenig vorwurfsvoll, als wäre Ksüs Frage sehr, sehr dumm gewesen.
    »An deiner Stelle würde ich mir diesen Namen langsam merken, Ksü. Sie heißt Laura. Und sie ist vermutlich die größte Malerin unserer Zeit.« Ivan machte eine Pause. »Und in deinem Leben, Ksü, hat sie eine sehr tragende Rolle gespielt. Ich weiß, dass du dich daran nicht erinnern kannst. Aber ich habe es dir schon ein paarmal erzählt. Wenn dein Gedächtnis immer noch nicht so gut funktioniert, werde ich reklamieren.«
    Der letzte Satz war vermutlich ein Scherz, aber offenbar kein gelungener: Ksü reagierte gar nicht drauf. Sie sah mich nur fragend an und ich nickte: Ja, meine Mutter heißt Laura. Laura Rettemi – sie hatte bei der Hochzeit den Nachnamen meines Vaters angenommen. Ihren Mädchennamen habe ich nie gewusst.
    »Ich weiß nicht, wer von uns schlechter informiert ist, Ivan.« Ksü lächelte zuckersüß. Ivan blickte sie verständnislos an, aber Ksü zögerte, sah auf mich, bis ich endlich kapierte: Sie überließ es mir, es ihm zu sagen.
    Ich bemühte mich, meiner Stimme einen beiläufigen Klang zu geben, während ich in Ivans Augen sah, die sich bei meinen Worten vor Erstaunen weiteten:
    »Diese Malerin, von der du da gerade redest, ist zufällig meine Mutter.«
    Ich wünschte mir sofort, ich hätte den Mund gehalten. Eben noch war ich für Ivan die neue Freundin seiner kleinen

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