Spiegelschatten (German Edition)
merkwürdig?«
» Ich habe das nicht merkwürdig gesagt.« Du hast es nur so gehört, dachte Bert.
» Doch. Hast du.«
Du hast es so gehört, weil du an Malina denken musst. Und weil du ein schlechtes Gewissen hast. Unsere Kollegin gefällt dir zu sehr.
» Lass gut sein, Rick.«
Bert war der Letzte, der andere verurteilen würde, weil sie ihr Herz verloren, obwohl es schon vergeben war. Vielleicht sollte er Rick von seiner großen, unerfüllbaren Liebe erzählen.
Vielleicht auch nicht.
Gegen manche Schmerzen konnte man sich nicht wappnen, und wenn man es noch so sehr versuchte.
*
Maxim hatte sich mit seinen Büchern in Nils’ Zimmer zurückgezogen, um zu arbeiten. Auf diese Weise hatte er eine Mauer um sich errichtet, hinter der er sich einigermaßen sicher fühlte.
Björn hatte Verständnis dafür, dass es Situationen gab, in denen man unangenehme Dinge verdrängte, weil man es nicht ertragen konnte, sich ihnen zu stellen. Nur hätte er sich gerade jetzt nichts sehnlicher gewünscht, als mit Maxim über alles reden zu können.
Drei ihrer Freunde waren ermordet worden. Das steckte man nicht so einfach weg.
Björn saß in seinem eigenen Zimmer und surfte im Internet, die Tür weit offen, damit Maxim jederzeit hereinkommen konnte, wenn er wollte.
Als er genug davon hatte, öffnete er sein Postfach. Eine neue Mail. Er klickte sie an. Der Absender war M. Röder, was ihm nichts sagte, doch der Betreff lautete: Trauerfeier.
Josch, Eileen und er hatten am Wochenende jede Menge Mails erhalten, in denen Menschen ihnen ihr Mitgefühl ausgesprochen und sie ihrer Solidarität versichert hatten. Das würde wahrscheinlich noch ein paar Tage so weitergehen.
Schwuchtel!
Bald kannst du deine eigene Trauerfeier organisieren!
Ich werde da sein…
Und um dich weinen …
:°°°(
Björn brauchte eine Weile, um das Gelesene zu begreifen. Eine weitere Weile benötigte er, um das Zeichensymbol als weinendes Gesicht zu erkennen. Ein unkontrollierbares Zittern ergriff seinen ganzen Körper.
» Maxim«, flüsterte er, doch natürlich hörte Maxim ihn nicht. Er war unfähig, laut nach ihm zu rufen, nicht in der Lage, aufzustehen. Körper und Stimme gehorchten ihm nicht mehr.
Bebend saß er vor den Worten, die ihn hypnotisierten und seine Seele verätzten. Es gelang ihm nicht einmal, die Augen zu schließen.
Er hörte, wie es an der Tür klingelte. Hörte, wie Maxim aufmachte. Und dann die Stimme des Kommissars. » Wir würden gern Herrn Berner sprechen.«
Und er wusste, dass wieder ein Mord geschehen war.
*
Als Maxim den Beamten in die Küche folgte, waren seine Füße wie aus Blei. Er wusste, dass wieder eine schlimme Nachricht wartete, und er hatte Angst. Nicht nur vor der Mitteilung selbst, sondern auch davor, wie Björn sie aufnehmen würde.
Björn war so dünnhäutig. Obwohl er ständig die ganze Welt vom Gegenteil überzeugen wollte.
Er kam von selbst aus seinem Zimmer, blass und verstört. Seine Hände waren fest ineinander verschränkt, als wollte er sie daran hindern, seine Gemütsverfassung zu verraten.
» Wer?«, fragte er heiser.
Kommissar Melzig sah seinen Kollegen an. Dann räusperte er sich. » Björn…«
Dass er Björn beim Vornamen nannte, war kein gutes Zeichen.
» Wer?«, wiederholte Björn.
» Josch Bellmann.«
Björn gab einen gequälten Laut von sich und sank auf einen Stuhl. Die Beamten setzten sich zu ihm an den Tisch. Maxim blieb bei der Tür stehen, unfähig, sich zu rühren.
Josch. Ausgerechnet Josch.
Ein Kerl wie ein Baum. Voller Zuversicht und voller Energie.
Josch? Doch nicht er.
» Das kann nicht sein«, sagte Björn, als er seine Stimme wiedergefunden hatte. » Josch ist immer der Fels in der Brandung gewesen. Er hat alles zusammengehalten, alles. Sie irren sich. Sie haben ihn mit jemandem verwechselt.«
» Björn…«, sagte der Kommissar wieder, doch Björn schien ihn nicht zu hören.
» Josch hätte sich nicht einfach so… ermorden lassen. Josch war Sportler. Ein Kämpfer. Er hätte sich niemals…«
» Er hat gekämpft«, sagte Rick Holterbach leise.
» Er hat…« Björns Gesicht verzog sich vor Schmerz. Seine Unterlippe bebte. Er riss die Augen auf, um die Tränen zurückzuhalten.
Schweigen dehnte sich in der Küche aus und füllte jeden Winkel.
» Wo?«, fragte Björn schließlich und wischte sich mit dem Ärmel über die Wangen.
» Am Rheinufer bei Unkel«, erklärte der Kommissar. » Er ist gerudert und hat dort…«
» …Pause gemacht. Das tut er… hat
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