Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
gut …
Ohne ein weiteres Mal zu klingeln holte sie einen Schlüsselbund aus ihrer Tasche. In Urlaubszeiten versorgten sie gegenseitig die Pflanzen. Seit zwei Jahren hatte Sam dafür dauerhaft einen Schlüssel zur Wohnung des Freundes, ebenso wie er einen für ihr Haus besaß. Jetzt ließ sich die Detektivin selbst ins Haus. Nachdem sie über die knarrenden Stufen ins zweite Obergeschoss gestiegen war, hielt sie einen Moment inne und lauschte auf Geräusche, die eventuell aus seiner Wohnung kamen. Es war nichts zu hören. Sie drückte auf den Knopf an der Wand, und konnte vor der Tür die laute Klingel hören. Die folgende, absolute Stille empfand Sam als beklemmend. Jan hatte sich doch hoffentlich nichts angetan? Verdammt, er war verzweifelt und alleine! Was ist, wenn …
Sam wurde ganz heiß, als würde sie von einem Fieberschub heimgesucht, dann fröstelte es sie. Eilends suchte sie den richtigen Schlüssel für die Wohnungstür heraus, sperrte auf und stürzte hinein. Schon beim Öffnen der Tür bemerkte sie den Geruch, und obwohl ihr Bewusstsein es nicht wahr haben wollte, war ihr sofort klar, dass eine Leiche in der Wohnung lag. Auf dem Weg zum hell erleuchteten Wohnzimmer traten bereits die ersten Tränen auf ihre Wangen. Eine verzweifelte Hoffnung ergriff die Frau, die Hoffnung auf einen Irrtum. Wenn er sich jetzt umgebracht hatte, dann trug sie einen Teil der Schuld, denn sie hätte als seine Freundin ganz deutlich die Zeichen erkennen müssen und ihn niemals alleine lassen dürfen.
Als sie das Wohnzimmer erreichte, stockte ihr der Atem. Sie hatte mit einem schrecklichen Bild gerechnet, aber nicht mit diesem! Den Körper von Jan sah Sam rücklings auf dem niedrigen Wohnzimmertisch liegen. Dass die Beine auf der rechten Seite nach unten hingen, nahm sie kaum wahr. Dafür haftete ihr Blick an Jans Kopf, der ebenfalls nach unten hing und Sam zugewandt war. Der kaum noch vorhandene Hals bestand nur noch aus zwei riesigen, klaffenden Wunden. Obwohl Sam stehen geblieben und vor Schreck fast gelähmt war, versuchte sie zu identifizieren, was diese Wunde hervorgerufen haben könnte. Es sah aus, als sei der Hals bis weit über die Mitte hinaus durchgeschnitten worden. Eine einzige, fleischige, rote Masse war von ihm übrig, und Sam konnte einzelne weiße Flecken ausmachen, die ihrer Meinung nach von Knochen oder Sehnen herrühren mussten. Der Kopf schien im wahrsten Sinne des Wortes nur noch an einem seidenen Faden zu hängen.
Plötzlich wurde Sam bewusst, dass man sich eine solche Wunde unmöglich selbst beibringen konnte. Von einer Sekunde zur anderen war ihr Körper angespannt und in Alarmbereitschaft. Wenn Jan das nicht selbst getan hatte, wer dann? Und vor allem: Wo war dieser Jemand? Vielleicht noch in der Nähe, voller Tatendrang und hungrig nach Blut, welches er sich von Sam zu holen gedachte?
Sie spürte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten und ein eisiger Schauer über ihren Rücken lief. Ihr Blick suchte das Zimmer ab. Dann hatte sie plötzlich das Gefühl, dass jemand hinter ihr war. Sie drehte sich ruckartig um, merkte, wie sie auf einmal sehr kurzatmig war, und riss noch in der Drehung ihre Arme zur Deckung nach oben. Hinter ihr war niemand. Für einen Moment hielt sie den Atem an und lauschte. Es war alles ruhig. Dann wurde Sam durch ein Geräusch erschreckt, aber es war nur eine zufallende Wohnungstür irgendwo im Haus. Langsam holte sie mit zitternden Fingern ihr Handy aus der Innentasche ihrer Jacke. Als sie über das digitale Adressbuch die Nummer von Gregor heraussuchte, blickte sie immer wieder in den Flur, um nicht überrascht zu werden. Der Polizist meldete sich nach dem zweiten Freiton.
„Gregor, ich bin in der Wohnung von Jan Patersen. Er ist tot, und es war kein Selbstmord. Ich weiß weder, wann es passiert ist, noch, ob sich der Mörder in der Nähe befindet. Ehrlich gesagt habe ich eine Scheißangst. Bitte schicke mir sofort jemanden her.“
„Okay. Wir bleiben in Verbindung bis jemand von uns bei dir ist. Hast du eine Waffe bei dir?“ Die Ruhe, die von Gregors Stimme ausging, übertrug sich nur zum Teil auf Sam.
„Mein Pfefferspray“, flüsterte sie. Dabei griff ihre freie Hand bereits in die Tasche, um die kleine Sprühdose herauszuholen.
„Gut. Halte es einsatzbereit in der Hand.“ Seine Stimme wurde etwas leiser, so als ob er das Mikrofon mit der Hand abdecken würde: „Leif, schicke sofort zwei Streifen in die Antoniterstraße.“ Dann gab er Jans Hausnummer durch,
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