Spiel der Angst (German Edition)
nicht besonders.
»Und sonst?«, fragte er. »Prüfen die das?«
Emily seufzte. »Ja.« Sie schaute Ryan an. »Was machen wir jetzt?«
»Wollen wir nicht doch zu der Party?«, schlug Ryan vor. »Oder willst du wegen der Sache Anzeige erstatten? Vielleicht war es ja wirklich nur ein dummer Scherz.«
Sie seufzte noch einmal. »Wahrscheinlich hast du recht.« Sie nahm seine Hand. »Aber zu der Party? Nein, ich ertrage es nicht, jetzt künstlich fröhlich sein zu müssen, während ich nicht weiß, was als Nächstes passiert. Lass uns noch irgendwo was trinken, aber nicht zu der Party. Okay?«
Ryan kniff die Lippen zusammen und nickte.
»Die müssten in London doch morgen Bescheid wissen wegen der DNA, oder?«, fragte Emily. »Das kann doch nicht so lange dauern.«
»Ich denke schon.«
In Emilys Kopf arbeitete es.
Inspector Carter hatte ihr schon in London gesagt, dass Jonathan Harker ihr auf die U-Bahn-Schienen gefolgt war, doch im Gegensatz zu ihr hatte er sich nicht mehr in eine Nische retten können. Bei dem Versuch, der Bahn auszuweichen, war er mitgerissen worden und auf der Stelle gestorben. Die Leiche war so zugerichtet gewesen, dass sie anhand des Aussehens nicht mehr identifizierbar gewesen war, aber der DNA-Befund der Gerichtsmedizin soll eindeutig gewesen sein.
Damals schon hatte Emily sich schwer damit getan, wirklich zu begreifen, dass Jonathan tot war. Und jetzt stellte sich ihr diese Frage erneut.
Wenn Jonathan wirklich tot war, gab es dann einen anderen, der sich diese Scherze mit ihr erlaubte?
Und wenn er noch lebte, seit wann war er in New York? Und würde er wieder seine abgründigen Spielchen mit ihr treiben? Würde es jetzt wieder losgehen? Am ersten September? Dem ersten Tag, wie er damals in London immer gesagt hatte?
Beide Aussichten waren gleich schrecklich. Entweder passierte ihr aus unmöglichen und unerfindlichen Gründen noch mal genau das Gleiche mit einem anderen Spinner. Das wäre entsetzlich. Oder Jonathan lebte tatsächlich noch und jagte sie jetzt ein Jahr später wieder. Das wäre noch entsetzlicher.
14
Einer der schwarz gekleideten Männer hielt den verbleibenden Leibwächter von ihr in eisernem Griff und bog ihm die Arme auf den Rücken. Der andere hielt Mary fest. Jonathan beobachtete ihn. Er musste Schmerzen haben. Der Arm schien gebrochen zu sein. Marys Handy, das sie instinktiv ergriffen hatte, als die Schatten aus den Winkeln des Zimmers aufgetaucht waren, war zu Boden gefallen. Ein Stiefel war stampfend auf das Telefon getreten und hatte es zu einer silbrig glänzenden Masse zertrümmert.
Das Licht einer Mag-Lite-Taschenlampe blendete sie.
Mary schrie und brüllte mit hoher Stimme, was sie Jonathan alles zahlen würde, wenn er sie am Leben ließ. Als das nichts half, brüllte sie weiter, was sie alles könnte und wen sie alles kannte und dass sie Jonathan und seinen Leuten die Hölle heißmachen würden, dass bald die ganze New Yorker Polizei hinter ihnen her wäre, dass sie Auftragskiller engagieren würden, wenn er sie töten würde, dass Jonathan keine ruhige Minute mehr hätte, dass hinter jeder Ecke jemand mit einer 45er auf sie lauern, dass seine Freundinnen und Freunde verschwinden und getötet werden würden.
»Ich habe keine Freundinnen und Freunde«, erwiderte Jonathan. »Und selbst wenn, könntest du ihnen sehr wenig antun, weil du in nicht einmal einer Minute tot sein wirst.«
Plötzlich hatte einer von Jonathans Leuten ein Messer in der Hand, dessen Klinge im Licht der Taschenlampe und des flackernden Feuers blitzte.
»Falls es dich interessiert«, fuhr Jonathan fort, »sterben fühlt sich so an.«
Das Messer blitzte auf.
Und das war das Letzte, was Mary sah.
Jeder Teufel findet irgendwann seinen Meister.
Mary Barnville war soeben daran erinnert worden, dass sie da keine Ausnahme war.
15
TAG 2: SONNTAG, 2. SEPTEMBER 2012
Es war Sonntag, und Emily fiel wieder auf, wie wenig sie Sonntage mochte. Daran hatte sich seit London nichts geändert. Einerseits war es ein ruhiger Tag, an dem man »frei« hatte, doch andererseits war der Sonntag schon wieder so nahe am Montag dran, dass es eigentlich kein wirklicher Feiertag war.
Es lag an dieser besonderen Atmosphäre, dieser Ruhe vor dem Sturm, ähnlich wie die drückende Schwüle vor einem Gewitter.
Doch eigentlich war es heute ein schöner Tag. Die Sonne schien, der Wind des Spätsommers – der Sommer, den man hier »Indian Summer« nannte – trug bereits eine Spur von Kühle mit sich und
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