Spiel der Angst (German Edition)
dass er es war, der ihren Freund Ryan Colins offenbar entführt hat.«
Offenbar, dachte Emily, die glaubten ihr hier doch genauso wenig wie damals Carter unddiese Ms Bloom in London.
Dann schaute Jones auf das Blatt Papier, das Emily mitgebracht hatte.
»Wir haben übrigens diesen Zettel noch einmal beim Grafologen mit Schriftstücken von ihrem Freund Ryan Colins verglichen.«
Emily schaute auch auf das Blatt Papier, das sie oben auf der Spitze der Fresh Kills Müllkippe gefunden hatte, zusammen mit dem Foto von Ryan.
Ich lebe, aber ich weiß nicht, wie lange noch.
»Grafologische Analyse positiv«, sagte Jones, »das ist die Schrift von Ryan Colins.«
Das hatte Emily befürchtet.
Dann musste er doch noch leben, dachte Emily, musste er doch, oder?
»Eine andere Sache ist da noch, die mir nicht gefällt«, sagte Jones.
»Nämlich?«
»Dieser seltsame schwarze Anzug, den Ryan trägt«, begann Jones, »für mich sieht das aus wie ein …«
Er schaute genauso verkniffen drein wie damals Carter in London, so als wäre Emily zu klein und dumm, um die harte Wahrheit zu hören.
»… wie eine Sprengstoffweste.«
Das hatte Emily dann doch nicht erwartet. Vor ihrem inneren Auge sah sie Terroristen im Nahen Osten. Selbstmordattentäter. Explosionen. Sah das Gesicht von Ryan. Und dann nur noch einzelne Teile, die …
Sie atmete tief ein, um die Bilder, die sofort in ihrem Kopf waren, unter die Oberfläche ihres Bewusstseins zu drücken.
Eine Sprengstoffweste.
»Es kann auch sein, dass dieser Jonathan nur blufft.« Jones verzog das Gesicht. »Aber es sieht jedenfalls so aus, als wäre die Weste echt.«
Jones stand auf.
»Sie müssen sich entscheiden, Ms Waters«, sagte er. »Wir können für Sie Personenschutz organisieren, allerdings kann das nicht über die Polizei laufen, da dieser Stalker sich Ihnen noch gar nicht genähert hat.« Er schaute sie an. »Was allerdings Fakt ist, ist, dass dieser Jonathan offenbar Ryan Colins entführt hat. Und da werden wir selbstverständlich aktiv werden. Und Sie, Sie werden sich sofort bei uns melden, wenn dieser Irre mit Ihnen Kontakt aufnimmt. Das Beste ist, wenn wir Ihr Telefon verwanzen, dann kriegen wir alles mit, was er Ihnen zu sagen hat.«
»Sicher«, antwortete Emily, und es war ihr, als hörte sie die Stimme eines anderen. »Sie können auf meine Hilfe zählen.«
In dem Moment summte ihr Handy. Eine SMS.
»Darf ich?«, fragte sie.
Jones nickte gütig. »Natürlich.«
Eine unbekannte Nummer.
HALTET EUCH AN MICH, stand dort, UND BLEIBT DER POLIZEI FERN! JE MEHR DU DIE BULLEN INS BOOT HOLST, DESTO GERINGER DIE WAHRSCHEINLICHKEIT, DASS DU RYAN JEMALS WIEDERSIEHST.
Jones hatte bemerkt, wie blass sie geworden war. Was auch kein Wunder war, schließlich wurde sie von diesem Psychpathen beobachtet, wie sie gerade erfahren hatte.
Durfte sie ihm die SMS zeigen, fragte sie sich. Lieber nicht. Wie sie den Irren kannte, würde er auch das herausfinden.
Und die Konsequenzen könnten furchtbar sein.
»Alles in Ordnung?«
Emily nickte. »Ja.«
Sie musste hier weg. Jeder Moment, den sie bei der Polizei war, war ein weiterer Sargnagel für Ryan. Sie musste das hier offenbar, wie schon in London, selbst in die Hand nehmen.
Der Starke ist am mächtigsten allein, hatte Shakespeare in Hamlet gesagt, auch wenn sie sich im Moment überhaupt nicht stark fühlte. In London hatte er Julia entführt. Ihre beste Freundin. Und ihr vorgegaukelt, dass es Ryan gewesen wäre, der sie terrorisiert hatte. Hier hatte er Ryan entführt. Julia, ihre beste Freundin, war jetzt bei ihr.
»Ich glaube, ich muss mich jetzt ein bisschen hinlegen.« Sie stand auf und machte wirklich den Eindruck, als wenn sie gleich einschlafen würde. Doch das war nur geschauspielert. Ihre tatsächliche Müdigkeit war nämlich durch das Adrenalin wie weggeblasen.
»Sicher«, sagte Jones, »das war ja eine sehr harte Nacht für Sie.« Er nickte, halb zu Emily, halb zu sich selbst. »Ein Wagen wird Sie nach Hause bringen.«
45
Sie lag im Bett, in dem sie sonst zusammen mit Ryan schlief. Es entspannte sie immer, in seinen Armen einzuschlafen, auch wenn er manchmal leise schnarchte. Aber trotzdem konnte sie mit ihm viel besser einschlafen als allein.
Allein.
Das war sie jetzt.
Immerhin war Julia bei ihr, die neben ihr im Bett seelenruhig schlief. Doch sie war nicht Ryan. Ryan war ihr Freund. Und vielleicht irgendwann ihr Mann.
Wenn es ihn dann noch geben sollte.
Würde es ihn noch geben?
Der Irre würde ihn
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