Spiel der Dämmerung - Feehan, C: Spiel der Dämmerung - Mind Game (Ghost Walkers # 2)
etliche hundert Meter von ihnen entfernt. »Stell dir die Energie als einen Pfeil vor. Den schickst du genau dort hin. Visualisiere ein Ziel, konzentriere dich genau auf die Mitte, den schwarzen Kreis in der Mitte, und schick die Energie los.«
»Dann wird alles verbrennen.«
»Da ist nicht mehr viel, was brennen könnte.« Sein Blick schweifte rastlos umher, inspizierte das Gelände um sie herum. Plötzlich ging er instinktiv in die Hocke und zog sie mit sich, tauchte ein in den Schutz des Unterholzes. »Schick sie los.« Diesmal legte er bewusst Härte und Autorität in seine Stimme. Die Zeit war abgelaufen. Er sagte ihr nicht, dass er im Sumpf umherhuschende Schatten gesehen hatte.
Dahlia schickte ein stummes Gebet gen Himmel, dass es funktionieren möge. Sie starrte hinaus in die Nacht, hoffte, dass der Mond einmal nicht gleich wieder hinter Wolken verschwände, damit sie tatsächlich ein konkretes Ziel anvisieren konnte. Sie spürte die Kraft der Energie, die in ihr brodelte. Und sie spürte noch etwas anderes. Nicolas Trevane . Seine Stärke, seine Entschlossenheit. Seinen Fokus.
Die Energie strömte aus ihr heraus, dunkel und schrecklich, und raste über den Sumpf. Die Nacht explodierte in einem flammenden Inferno, überall loderten grell orange Feuer und verbrannten alles zu grauschwarzer Asche. Schreie gellten durch die Nacht, schreckliche, qualvolle Schreie, und Gewehrsalven, die wie ein aufgebrachter Bienenschwarm aus dem Sumpf stoben.
Nicolas hörte ein dumpfes Geräusch. »Sie kommen.« Er erkannte den Laut einer M203, wenn er einen hörte. Sie steckten definitiv in Schwierigkeiten.
Dahlia wich von ihm zurück; die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Er packte ihren zierlichen Körper, stieß sie in den Morast und warf sich auf sie, als im gleichen Moment irgendwo hinter ihnen eine Granate explodierte und ihre zerstörerische Ladung in alle Richtungen schoss. Kaum war die Druckwelle der Detonation über sie hinweggerast, war Nicolas schon wieder auf den Beinen und zerrte sie, ohne eine Sekunde zu verlieren, mit sich in Richtung Inselmitte.
»Lauf nach Westen«, rief Dahlia. Sie behielt den Kopf unten, während die Hölle um sie herum losbrach. »Da ist der Boden fester, und wir kommen schneller voran.« Ihr Magen fühlte sich an wie von Säure verätzt, ihr Gehirn hingegen glücklicherweise wie betäubt. Die frei gewordene Energie raste bereits wieder auf sie zu, aber das kümmerte sie nicht. Im Moment war nur eines wichtig: ihr Gehirn vom Arbeiten abzuhalten, bis sie dieses Chaos überlebt hatten. Wenn sie zuließ, dass die Energie sie zu bald einholte, gab es keine Hoffnung mehr, und Nicolas könnte ebenfalls ums Leben kommen.
»Wir müssen ins Wasser, Dahlia.« Er wollte sie darauf vorbereiten. Alligatoren und Schlangen waren in den
Flussarmen zu Hause. Er musste wissen, ob sie davor zurückschreckte. Abermals hörte er das unverwechselbare Dröhnen einer abgefeuerten Granate und drückte sie zu Boden. Sie protestierte nicht, wehrte sich nicht gegen ihn. Mehr konnte er unter den gegebenen Umständen nicht erhoffen. Die Granate schlug in einiger Entfernung von ihnen ein.
Nicolas stellte sich selbst nie infrage. Er traf Entscheidungen schnell, im normalen Leben wie auch in Todesgefahr, und hielt nichts von Selbstkritik im Nachhinein. Sie war unnötig und wirkten sich nur nachteilig aus. Dennoch bereute er es diesmal, ihre speziellen Fähigkeiten gegen ihre Feinde benutzt zu haben. Im Weiterlaufen warf er ihr einen raschen Blick zu. Sie war unglaublich blass, ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Jedes Mal, wenn er sie zu Boden riss und sich auf sie warf, um sie vor den Granatsplittern zu schützen, zitterte sie, zuckte unter ihm zusammen, machte sich ganz flach, um möglichst wenig von ihm berührt zu werden.
Er versuchte sich einzureden, dass es an dem Schock lag, ihr Zuhause und die Menschen, die sie liebte, verloren zu haben, wusste jedoch, dass mehr dahintersteckte. Die Nachwirkungen der Angriffe auf ihre Gegner wandten sich gegen sie. Sie war jetzt die Gejagte, zwang ihren Körper, sich zu bewegen, wollte ihn nicht auf seiner Flucht behindern, doch sie war in Gefahr, und er trug für sie die Verantwortung. Das war das größte Problem, mit dem Schattengänger konfrontiert waren und immer sein würden. Sie bewegten sich stets auf unbekanntem Terrain. Die Nachwirkungen des Gebrauchs übersinnlicher Kräfte waren immens, und sie hatten oft keine Ahnung, was passieren würde, bis
Weitere Kostenlose Bücher