Spiel der Herzen
sein würde. Sie sagte: »Guten Abend, Werner.«
»Guten Abend.« Seine Stimme klang nicht so wie sonst.
»Ich muß dich sprechen.«
Er räusperte sich. »Geht das nicht morgen?«
»Warum?«
»Ich muß weg.«
»Lange?«
»Ja.«
»Das macht nichts«, sagte sie. »Gib mir die Schlüssel, ich werde in deiner Wohnung auf dich warten. Notfalls kann ich mich hinlegen und schlafen, bis du zurückkommst. Läute, ich öffne dir.«
Sie streckte die Hand aus, um die Schlüssel in Empfang zu nehmen. Er blieb starr stehen.
»Oder nicht?« fragte sie, ihn unsicher anblickend.
Die Antwort fiel ihm nicht leicht.
»Nein, das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Du kannst nicht in meine Wohnung.«
Sie schwieg. Ihre Augen, mit denen sie ihn ansah, wurden weit. Dann fing sie an, blaß zu werden. Schließlich sagte sie mit tonloser Stimme: »Du mußt gar nicht weg?«
»Doch.«
»Aber nicht lange?«
»Nein«, erwiderte er. Es war ihm klar, daß es hier kein Ausweichen mehr gab.
»Du hast jemanden in deiner Wohnung?«
»Ja.«
»Eine Frau?«
»Ja.«
»Diese Frau?«
»Ja.«
Clara sagte nichts mehr, blickte ihn nur an. Als sie Frage auf Frage hatte folgen lassen, war zu sehen gewesen, daß sie mit jeder der Antworten Werners noch blasser geworden war. Nun stand sie da, weiß wie die Wand. Sie konnte nicht einmal mehr weinen, es fehlten ihr die Tränen.
Es gab nichts mehr zu sagen, weder für sie noch für ihn. Langsam, wie in Trance, wortlos wandte sich Clara ab und ging die Treppe hinunter. Sie mußte sich dabei am Geländer festhalten. Werner hatte das an ihr noch nie gesehen. Als das Haustor hinter Clara zufiel, spürte Werner, der ihr nachstarrte, daß von ihrer Seite aus etwas Endgültiges geschehen war.
Frank Petar mußte seit einiger Zeit feststellen, daß sich am Verhalten seiner Sekretärin irgend etwas geändert hatte. Das betraf nicht ihre Arbeit, die von ihr nach wie vor ordentlich verrichtet wurde. Er hatte aber das Gefühl, daß sie ihn beobachtete, und zwar gerade dann, wenn er sozusagen mit Außerdienstlichem Berührung hatte, wenn er z. B. mal im Büro die Zeitung durchblätterte, was auch vorkam. Oder wenn er ihr lachend sagte, daß ihr starker Kaffee seiner Frau Sorgen mache. Immer dann, wenn er seine Frau erwähnte, schien sich ein deutlich fragender Ausdruck in Sabine Melchiors Gesicht breitzumachen.
Einmal sagte er zu ihr: »Wissen Sie, was mich meine Frau gestern fragte?«
»Nein.«
»Warum Sie nicht heiraten?«
Sabine schwieg, wurde rot, ihr Blick verdunkelte sich. Frank schenkte dem keine Beachtung. Taktlos, wie Männer, besonders Chefs, sein können, fuhr er fort: »Und wissen Sie, was ich ihr antwortete?«
»Nein.«
»Hoffentlich tut sie das nie, damit ich mir keine neue Sekretärin suchen muß.«
Sabines Lachen, mit dem sie das quittierte, war unecht. Wartet nur, ihr beiden, dachte sie, ich werde eure Gespräche auf eine neue Grundlage stellen, eine Grundlage, die für mich nützlich sein wird.
Zwei Tage später erhielt Helga Petar einen anonymen Brief, dessen Inhalt nur aus vier mit Maschine geschriebenen Zeilen bestand, und zwar aus folgenden:
»Sie können einem leid tun. Und wissen Sie, warum? Weil Sie durchs Leben gehen und keine Ahnung haben, daß Sie Ihren Mann mal fragen sollten, wer Thekla Bendow ist.«
Helgas erster Impuls war, das Blatt ins Feuer zu stecken. Dann warf sie es aber nur angewidert in den Papierkorb. Und dann holte sie es aus dem Papierkorb wieder heraus, nachdem ihr angewidertes Gefühl einem bohrenden gewichen war. Trotzdem stand ihr Entschluß noch fest, ihrem Mann gegenüber kein Wort über die Angelegenheit zu verlieren. Sie wollte nur anhand des Briefes Betrachtungen anstellen, von wem er stammen könnte. Dazu fanden sich aber dann in (oder an) dem Schreiben keinerlei Anhaltspunkte. Also weg mit dem unergiebigen Fetzen! Helga warf ihn abermals in den Papierkorb und hatte auch die Kraft, ihn nicht noch einmal hervorzuholen, wenngleich ihr Blick immer wieder in die Richtung ging, wo der Papierkorb stand. Helga erkannte, daß der Brief sie wohl noch ein oder zwei Tage lang beschäftigen würde. Noch fester als zuvor stand aber ihr Entschluß, nicht mit Frank über ihn zu sprechen.
Frank kam heute etwas früher nach Hause, begrüßte Helga mit dem üblichen Kuß auf die Stirn, rieb sich, erfreut darüber, das Büro vom Hals zu haben, die Hände, warf sich in seinen Lieblingssessel, zündete sich eine Zigarette an und fragte: »Gibt's was
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