Spiel Der Sehnsucht
der Tanz vorbei war, doch als sie sich umblickte, war Valerie verschwunden. Dann setzte die Musik aufs neue ein, und Ivans dritter Freund tauchte vor ihr auf und bat um einen Tanz.
»Danke, Mr. Pierce, ich fühle mich geschmeichelt. Aber ich fürchte, daß ich solchen Anstrengungen nicht mehr gewachsen bin. Ich bin noch ganz außer Atem nach dem Tanz mit Mr. Dameron.«
»Ich versichere Omen, Miss Drysdale, daß ein Tanz mit mir keine so harte Arbeit ist wie mit Mr. Dameron.«
»Er ist ein sehr guter Tänzer.«
»Ich bin besser«, stellte Pierce mit schurkischem Grinsen fest. »Wenn auch nicht ganz so begabt wie Thornton.«
In diesem Augenblick erspähte Lucy Lady Valerie, Kopf an Kopf mit Ivan. Sie biß die Zähne zusammen.
Mr. Pierce, der ihrem Blick gefolgt war, lachte. »Sie sorgen sich zuviel um Lady Valerie, jedenfalls, was Thornton anbelangt.«
Lucy sah ihn aus den Augenwinkeln an. Nach Ivan war er derjenige unter den vier Bastarden, wie man sie inzwischen allgemein nannte, der sie am meisten beunruhigte. Mr. Dameron sah unverschämt gut aus, Mr.
Blackburn war unverschämt weltmännisch, doch vor keinem der beiden fürchtete sie sich. Auch vor Mr. Pierce empfand sie nicht gerade Angst, aber es umgab ihn eine Aura von Gefahr, so als lauerten unter seiner glatten, lächelnden Oberfläche düstere Abgründe. Über Ivans Vergangenheit wußte sie wenigstens einiges. Über Elliot Pierce wußte sie gar nichts.
»Weshalb sollte ich mir keine Sorgen machen?« fragte sie, indem sie sich zwang, wieder an Valerie zu denken.
Er zuckte die Schultern. »Er wird hinter ihr her sein, sie einfangen, und sie dann wieder fallenlassen, wie alle anderen.«
»Ja, und sie wird ein gebrochenes Herz haben. Solche unnötigen Schmerzen möchte ich ihr ersparen. Er tut das nur, um sein enormes Selbstbewußtsein zu bestätigen«, sagte sie, obwohl sie glaubte, daß er damit eher versuchte, seine enorme Verletzlichkeit zu verbergen. Doch keinesfalls sollte Valerie darunter leiden. Nicht, wenn sie es verhindern konnte.
»Er ist ein guter Kerl«, sagte Pierce. Lucy war von seinen schlichten Worten überrascht.
»Ich bin sicher, daß er seine Freunde gut behandelt«, lenkte sie ein. »Es ist sein Benehmen gegenüber Frauen, das mir Sorgen macht, und besonders sein Betragen gegenüber Lady Valerie. Entschuldigen Sie mich, Mr.
Pierce, aber ich muß zu ihr, bevor er es schafft, ihren Ruf zu ruinieren.«
Doch Mr. Pierce hielt sie am Arm fest und fragte sie mit eindringlichem Blick: »Und wenn seine Absichten ernst sind? Wären Sie dann dagegen?«
Lucy dachte nach. »Wenn er ihr aufrichtige Zuneigung entgegenbrächte - nein, dann hätte ich keine Einwände.
Aber es ist alles nur Schau, denn wir beide wissen doch, daß er nicht aufrichtig ist und kein Jota echter Zuneigung für sie empfindet.«
Sie dachte, daß Pierce nun verärgert wäre, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos. »Was, wenn ich oder einer der anderen aus unserer Gruppe titelloser Bastarde ihr den Hof machte? Wie würden Sie reagieren, wenn einer von uns wahre Zuneigung für Lady Valerie empfinden würde?«
Seine Augen brannten sich in ihre, und wieder zögerte Lucy. Erklärte er gerade seine eigenen Absichten? Irgendwie konnte sie sich die beiden nicht als Paar vorstellen.
Lucy wählte ihre Worte sorgfältig. »Ich könnte guten Gewissens einen Mann nicht ermutigen, ihr den Hof zu machen, wenn ich davon ausgehen müßte, daß ihre Familie ihn ablehnen würde. Ich bin nur ihre Anstandsdame. Es ist Sache ihrer Eltern und ihrer Patentante, einem Antrag zuzustimmen.«
»Und die würden eine Verbindung mit mir oder Alex oder Giles nie erlauben.«
Lucy warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. »Ich fürchte nein.«
»Aber Thornton würden sie als Schwiegersohn nicht ablehnen.«
»Ich vermute, daß sie darüber begeistert wären«, antwortete Lucy ehrlich.
»Und doch wollen Sie seine Absichten hintertreiben, obwohl Lady Valeries Familie mit einem Antrag von ihm einverstanden wäre?« Er schüttelte den Kopf. »Verstehe ich Sie richtig? Wenn Lady Valeries Familie gegen einen Bewerber ist, sind Sie auch dagegen; gegen einen Bewerber, mit dem die Familie einverstanden wäre, würden Sie jedoch ebenfalls opponieren. Es scheint, Miss Drysdale, daß Sie Ihren Pflichten nur zur Hälfte nachkommen wollen.«
Er hatte recht. Unruhig trat Lucy von einem Fuß auf den anderen. »Ich nehme meine Pflichten sehr ernst, Mr.
Pierce«, versuchte sie zu erklären. »Aber ich weiß,
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