Spiel der Teufel
wartete, bis am andern Ende abgenommen wurde, und sagte:
»Ich bin's, Liebling. Ich habe Sehnsucht nach dir und kann es
kaum erwarten, dich zu sehen.«
»Ich weiß. Ist alles vorbereitet?«
»Wie immer.«
»Ich werde mich auch nur kurz aufhalten, dann habe ich fast
zwei ganze Tage Zeit für dich. Ich bring dir auch etwas ganz
besonders Schönes mit, meine kleine Löwin. Und vergiss nicht,
ich liebe dich.«
»Und ich dich erst.«
Sie schaltete das Handy aus, hielt an einem Supermarkt und
kaufte ein paar Lebensmittel ein. Zu Hause angekommen,
packte sie die Sachen in den Kühlschrank, zog sich nackt aus
und ließ sich ein heißes Bad ein. Sie machte Musik an, Tschaikowsky,
trank ein Glas Orangensaft mit einem Schuss Wodka,
besah sich im Spiegel und war wie immer zufrieden mit ihrem
Äußeren. Sie hatte eine perfekte, von der Natur gegebene Figur
- 90-62-90. Sie freute sich auf das herrlich lange Wochenende.
Er hatte ihr versprochen, sie von hier wegzuholen, in seine
Nähe, in sein Haus. Er war verheiratet, doch die Ehe bestand
nur noch auf dem Papier. Jeder ging seine eigenen Wege, wie er
ihr gegenüber schon vor Monaten angedeutet hatte. Selbst in
der Presse ging schon das Gerücht, dass eine Scheidung bevorstand,
ohne dass ihm eine neue Liebe angedichtet wurde. Seine
Frau hatte längst einen Neuen, einen zwölf Jahre Jüngeren, den
er ihr ausgesucht hatte und mit dem sie bereits einige Male auf
Partys und Wohltätigkeitsveranstaltungen gesehen und fotografiert
worden war. Eine geschickt von ihm eingefädelte
Inszenierung, die seine Noch-Frau gerne mitmachte. Bei der
Scheidung würde sie etwa fünfhundert Millionen Euro bekommen,
vielleicht sogar mehr. Für ihn ein Schulterzucken oder ein
Griff in die Portokasse - was waren schon fünfhundert Millionen
gegen fünf oder sechs Milliarden?
Ja, sie freute sich auf das Wochenende, das diesmal ein ganz
besonderes werden würde.
DONNERSTAG, 14.40 UHR
Henning rief zwanzig Minuten früher als geplant bei Prof. Jürgens
in der Rechtsmedizin an, und sie verabredeten ein Treffen
für sechzehn Uhr in Murphy's Pub, da Jürgens ein ausgesprochener
Liebhaber von irischem Whiskey war, dessen Genuss er
bisweilen übertrieb, wie er selbst gestand. So blieb Henning
und Santos noch genügend Zeit für eine Stippvisite bei Ziese.
Sie gingen zu seinem Büro, klopften an, und von drinnen ertönte
ein kaum vernehmliches »Herein«.
Ziese tippte etwas in den Computer und sah erst auf, als die
beiden Kollegen vom K 1 vor seinem Schreibtisch standen. Das
Fenster war trotz des ungemütlichen Wetters weit geöffnet. Es
war kalt, was Ziese aber offenbar nichts ausmachte.
»Ja?«, fragte er, und Henning betrachtete ihn ausgiebiger und
intensiver als je zuvor, um herauszufinden, ob seine Vermutung
nur eine Vermutung war oder Ziese wirklich an der Flasche
hing. Seine Augen hatten einen matten Glanz, seine Lippen
waren spröde, um die Nase und auf den Wangen hatten
sich spinnenbeinartige Äderchen gebildet. Das war aber auch
alles, was Henning feststellen konnte, nichts Ungewöhnliches.
Ziese machte einen aufgeweckten und klaren Eindruck, auf
keinen Fall den eines Alkoholikers. Ich hab mich da wohl getäuscht,
dachte er und nahm Platz, nachdem Ziese auf die beiden
Stühle gedeutet hatte.
»Was führt euch zu mir?«, fragte der Mann, der in gut zwei
Monaten in den Ruhestand gehen würde, mit fester Stimme.
»Immer wieder dasselbe. Wobei ein paar neue Fragen aufgetaucht
sind, die wir gerne mit dir besprechen würden.«
»Ich sagte doch, dass ich euch jederzeit zur Verfügung stehe.
Fasst euch aber bitte kurz, ich habe um halb vier einen wichtigen
Termin außer Haus.«
»Wir versuchen´s, auch wenn's vielleicht etwas unangenehm
wird ...«
»Ich bin es gewohnt, mich unangenehmen Dingen zu stellen«,
erwiderte Ziese trocken und mit regungsloser Miene. »Also,
raus damit.«
»Wir haben eine interessante Information erhalten, und wir
würden gerne wissen, ob du die bestätigen kannst. Demnach
soll Gerd keine Freunde in deiner Abteilung gehabt haben.«
Ziese überlegte, schürzte die Lippen und sah dabei Henning
nachdenklich an. »Wer hat euch das denn erzählt? Natürlich
hatte Gerd Freunde, oder glaubt ihr, er war ein Einzelkämpfer,
von niemand geliebt, von jedem gemieden ? Glaubt ihr das allen
Ernstes?«
»Es klang sehr glaubhaft. Es heißt, er hätte keinen einzigen
Freund gehabt, das schließt dich mit ein
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