Spiel der Teufel
Ermittlungen behindert wurde, weil irgend
so ein selbstgerechter oder korrupter Staatsanwalt nicht wollte,
dass er weiterermittelte. Das ist euer verfluchter Rechtsstaat!
Für mich ist es ein Unrechtsstaat. Und ihr sitzt hier und wollt
mir erzählen, dass ihr noch keine Spur habt! Ph, das könnt ihr
eurer Großmutter weismachen, aber nicht mir ...«
»Halt mal, du wirst ungerecht. Wir sind nicht hier, um dir was
vorzulügen, sondern weil wir deine Freunde sind. Warum hast
du nicht rechtzeitig gemerkt, dass mit Gerd etwas nicht stimmte?
Ich denke, du hast so ein Gespür für Menschen.«
»Du stellst schon wieder Behauptungen auf ...«
»Ich tu gar nichts«, entgegnete Henning ruhig. »Aber es scheint,
als hättest du deinen Mann nicht gekannt. Und Lisa und mir
scheint es, als hätten wir euch beide nicht gekannt. Komm,
Lisa, wir gehen.«
»Bleib sitzen«, sagte Nina. »Was meinst du mit, ihr hättet uns
nicht gekannt?«
»Nichts«, antwortete Santos schnell, »gar nichts. Das ist Sören
nur so rausgerutscht.«
»Dann ist es ja gut. Und ich denke, ihr solltet jetzt wirklich
besser gehen, eigentlich hättet ihr gar nicht zu kommen brauchen.
Wir sehen uns auf der Beerdigung und danach vorläufig
nicht mehr, weil ich direkt im Anschluss nach St. Petersburg
fliege. Ihr wisst ja, wo die Tür ist.«
»Nina, Sören hat es wirklich nicht so gemeint«, sagte Santos.
»Bei uns liegen die Nerven auch blank, weil wir Gerds Mörder
schnappen wollen, aber er ist wie ein Phantom. Bitte verzeih,
wenn wir dich verletzt haben.«
»Ich ertrage das alles nicht mehr. Inzwischen habe ich das Gefühl,
als würde man mir eine Mitschuld an seinem Tod geben.
Ich habe Alpträume, ich kann nicht mehr schlafen ... Lasst
mich bitte allein, ich habe eine Menge zu erledigen.«
»Wo fährst du hin?«, fragte Santos.
»Zu meiner Freundin nach Hamburg. Ich brauche diesen Abstand,
bevor die Beerdigung ist. Ich mag gar nicht an diesen Tag
denken, ich glaube, ich steh das nicht durch. Er liegt in einem
Sarg, der langsam in die Erde gelassen wird. Mein Gerd. Er und
Rosanna nebeneinander. Wenn mir das einer vor zweieinhalb
Monaten prophezeit hätte, ich hätte nur gelacht und gesagt,
niemals, so etwas passiert niemals. Und dann ist es doch passiert.
So ist das Leben, und so ist der Tod. Wie oft ich diesen
Satz in den letzten Tagen gesagt habe. Es gibt keine Gerechtigkeit,
nicht für mich.«
»Wenn du jemanden brauchst, du weißt, wie du uns erreichen
kannst«, sagte Henning und stand gemeinsam mit Santos auf.
»Bleib stark, okay?«
Nina seufzte auf und meinte: »Nina ist nicht mehr stark, Nina
hat keine Kraft mehr. Macht's gut.«
Henning und Santos fuhren zurück nach Kiel, aßen zu Mittag
und warteten. Sie sprachen über Nina und fragten sich zum
wiederholten Male, wer denn nun die Wahrheit sagte - sie oder
Ivana. Sie wussten es nicht.
»Weißt du, wie ich mir vorkomme?«, fragte Santos, als sie den
Imbiss verließen. »Wie eine Beobachterin. Ich kann mich an keinen
andern Fall erinnern, wo ich mich so hilflos fühlte wie hier.
Ich weiß nicht, ob du das nachvollziehen kannst, aber wir jagen
einen Mörder, ohne zu wissen, wo er sich aufhält oder versteckt.
Er hat keine Spuren hinterlassen, er hat sich nicht bei uns gemeldet,
alles, was wir wissen, ist, dass Gerd ein Doppelleben geführt
hat. Wir ermitteln gar nicht, weil wir nicht mal den winzigsten
Anhaltspunkt haben. Das ist so unendlich frustrierend. Wir sind
noch nie so ins Leere gelaufen. Noch nie. Als würden wir an
einem Fluss stehen, ohne eine Ahnung zu haben, wie man auf
die andere Seite gelangt, wo die Lösung zu finden ist. Wenn wir
diesen Fall nicht lösen, sind wir die großen Deppen.«
»Wir sind keine Deppen. Da wird ein Spiel gespielt, dessen Regeln
wir nur noch nicht kennen. Wir brauchen Geduld, es ist
gerade mal drei Tage her, dass Gerd ermordet wurde. Lass uns
die undichte Stelle finden, dann finden wir auch seinen Mörder.
Wir werden von vorn bis hinten an der Nase rumgeführt, aber
ich schwör dir, nicht mehr lange. Klar, momentan beobachten
wir nur, was aber auch von Vorteil sein kann, weil der- oder
diejenigen sich in Sicherheit wiegen, je mehr Zeit vergeht. Geduld
ist zwar auch nicht gerade meine Stärke, aber ich sag mir,
dass es der einzige Weg ist, den Fluss zu überqueren. Und wir
sollten nicht vergessen, dass Ivana uns Material versprochen
hat. Lassen wir uns überraschen, ob es wirklich so brisant ist,
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