Spiel des Schicksals
Da es finstere Nacht war, sah ich vom Taxi aus wenig von Kairo, doch bemerkte ich vage, daß wir die ebene Wüste hinter uns gelassen hatten und durch ausgedehnte Vororte fuhren. Dann setzten wir unseren Weg durch enge Straßen fort, bis wir in der Innenstadt landeten. Dort fuhren wir um einen großen Platz herum, der von orangefarbenen Straßenlaternen spärlich erleuchtet wurde. Und als wir an einem gewaltigen, hoch aufragenden Gebäude vorüberkamen, streckte unser Fahrer den Zeigefinger aus und erklärte: »Hilton Hotel«, als erwartete er, uns damit zu beeindrucken. Zwei Häuserblocks weiter hielten wir vor dem Shepheard’s Hotel.
Trotz meiner Müdigkeit sprang ich geschwind aus dem Taxi, eilte die Stufen hoch, drückte die schwere Glastür auf und ging schnurstracks zur Anmeldung, wo ich einen dösenden Angestellten aus dem Halbschlaf schreckte. Zuerst murmelte er etwas in Arabisch, dann meinte er: »Willkommen in Kairo« und bedachte mich mit seinem freundlichsten Grinsen.
Auch ich verzog meinen Mund zu einem hoffnungsvollen Lächeln und stieß ein wenig atemlos hervor: »Können Sie mir die Zimmernummer von Miss Adele Harris nennen? Sie ist Amerikanerin. Adele… Harris…«
»Gewiß, Madam.« Er schlug ein dickes Buch auf, beugte sich über die letzte Seite und fuhr mit dem Finger die Zeilen hinunter. »Wie war doch bitte der Name?«
»Harris. H-a-r-r-i-s. Adele Harris.«
Ich beobachtete, wie der braune Zeigefinger sich Zeile um Zeile nach unten bewegte, wieder hochkam und abermals in der Spalte nach unten fuhr. Dann sah ich, wie die Augenbrauen des Arabers sich allmählich zu einem Stirnrunzeln zusammenzogen. Sein Lächeln verschwand, und seine nächsten Worte trafen mich wie ein Messerstich: »Ich bedaure, Madam, aber wir haben niemanden mit diesem Namen in unserem Hotel.«
»Doch« – ich wußte, daß ich träumte und jede Minute aufwachen würde –, »doch, sie ist bestimmt da. Sie hat mir geschrieben und mir mitgeteilt, daß sie hier wohne. Sehen Sie her!« Ich zog rasch ihren Brief aus meiner Handtasche und hielt ihn dem Angestellten beinahe anklagend unter die Nase. »Sehen Sie? Ihr eigenes Briefpapier.«
»Ja.« Er betrachtete aufmerksam den Umschlag. »Aber wo ihr Name steht, befindet sich keine Zimmernummer.« Er deutete auf den Absender. »Sie hat Ihnen ihre Zimmernummer nicht mitgeteilt.«
»Kann sie schon abgereist sein?«
»Ich werde für Sie nachsehen, Madam.«
Ungeduldig wartend lehnte ich an der geräumigen Rezeption mit ihren Postkarten von Pyramiden und Sphinxen. Irgendwo hinter mir tickte eine Uhr, und Fußtritte schlichen kaum hörbar über den blankpolierten Fußboden. Wann genau John sich zu mir gesellte, vermag ich nicht zu sagen, doch als ich voller Bangigkeit dastand und erwartungsvoll auf das Gästebuch starrte, fühlte ich plötzlich seine Hand beruhigend auf der meinen. Als der Hotelangestellte vom Empfang schließlich bedauernd meinte: »Wir hatten noch nie eine Miss Harris in unserem Hotel«, war ich den Tränen nahe. »Aber das kann doch gar nicht sein, verstehen Sie denn nicht?«
»Lydia«, ergriff John ruhig das Wort, »lassen Sie uns jetzt einfach ein Zimmer nehmen und das Problem morgen früh lösen.«
»Wäre es möglich, daß es noch ein zweites Shepheard’s Hotel gibt?«
»Nein, Madam«, versicherte der Angestellte, »dies ist eindeutig unser Briefpapier.« Er gab mir Adeles Brief zurück, und ich erkannte, daß es ihm ehrlich leid tat. »Warum sie sagt, sie sei hier, wenn sie es gar nicht ist«, er zuckte die Schultern, »das kann ich mir auch nicht erklären.«
»Wo ist sie nur?« heulte ich los. Die Rezeption fing an, sich vor meinen Augen zu drehen, und in meinem Kopf hämmerte es wieder. Der Schmerz war unerträglich. John führte mich zu einer Sitzgelegenheit und kümmerte sich um ein Zimmer. Ich war ihm dankbar dafür, daß er die Sache in die Hand nahm, aber im Grunde war es mir völlig gleichgültig. Adele hatte mich wieder in eine Sackgasse geführt.
Ein geschwätziger Page, der sein Schulenglisch an uns erprobte und uns alle möglichen Dienste anbot, um meinen Schmerz zu lindern, führte uns schließlich zu einem Hotelzimmer, das sich im achten Stock befand. Alles, was ich wollte, war, daß man mir meine Ruhe ließ. Nur zwölf Stunden zuvor war ich im Domus Aurea brutal niedergeschlagen worden und hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mich davon zu erholen. Auch sah es nicht so aus, als ob ich mich in Kairo würde ausruhen können. Zumindest
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