Spiel des Schicksals
daran zu glauben oder auch nur daran zu denken. Statt dessen erfand ich eine unausgegorene Theorie, nach der John den dicken Mann möglicherweise darauf angesprochen hatte, warum er uns nachspionierte.
Zahllose Gedanken gingen mir in diesem Augenblick durch den Kopf, doch keiner davon war auch nur im entferntesten vernünftig. Die Ereignisse folgten einfach zu schnell aufeinander. Die Zeitverschiebung, die Erschöpfung und zahlreiche ungewohnte Belastungen führten bei mir zu einem vernunftwidrigen Verhalten. Im achten Stock war es still und ruhig. Kein Geräusch drang von irgendwoher. Die Zimmermädchen waren schon dagewesen und wieder gegangen, und die Gäste hatten das Hotel verlassen, um die Stadt zu genießen. Da ich keinen Wert darauf legte, mein Kommen anzukündigen, schlich ich leise über den roten Teppich und schaute mich nach allen Seiten um.
Alle Türen waren geschlossen, mit Ausnahme der einen am Ende des Ganges, die einen kleinen Spalt offenstand.
Versuchsweise stieß ich sie vorsichtig auf. Seltsam, aber ich war nicht sonderlich überrascht, als ich John mit dem Gesicht nach unten auf dem Fußboden liegen sah. Diese ganze Geschichte war so lächerlich und gleichzeitig so verteufelt. Sie glich einem Alptraum, bevölkert mit jungenhaften Börsenmaklern, geheimnisvollen Arabern und fettleibigen Männern mit dicken Brillen. John Treadwell lag bewußtlos auf dem Boden, und es schien ganz normal zu sein, daß auch ich in Ohnmacht fallen sollte. Ich sagte: »O John«, doch im gleichen Augenblick wurde mir schwarz vor Augen, und ich fiel neben ihn auf den Boden.
8
Ich erwachte in völliger Verwirrung. Meine erste Empfindung war ein Schmerz im Hinterkopf. Aber es handelte sich um den vertrauten Schmerz, der von der Beule herrührte, und er beunruhigte mich nicht. Ich setzte mich mühsam auf, murmelte etwas vor mich hin, stöhnte ein wenig und warf, als ich endlich wieder voll bei Bewußtsein war, einen prüfenden Blick um mich herum.
Ich befand mich in einem mir völlig fremden Raum. Obwohl er nur spärlich beleuchtet war, reichte das Licht dennoch aus, um mich erkennen zu lassen, daß es sich nicht um ein Hotelzimmer handelte. Ebensowenig konnte dies das Büro eines Polizeibeamten oder eine Arztpraxis sein. Tatsächlich erkannte ich schon beim ersten flüchtigen Umschauen, daß ich mich in einer Privatwohnung befand. Es war ein Schlafzimmer. Ein schlichter Raum, der nur mit wenigen Möbeln ausgestattet war, in dem aber ein heilloses Durcheinander herrschte. Die Wände waren mit allen möglichen wahllos plazierten Fotos geschmückt, von denen einige gerahmt, andere ungerahmt waren. Der Spiegel des Toilettentisches war ebenfalls mit Fotos eingefaßt, viele davon verblichen und alt. Oben auf dem Toilettentisch lagen die üblichen Utensilien: Haarbürste und Kamm sowie sonstige Toilettenartikel, daneben eine zerknitterte Krawatte, geöffnete Post, Streichholzschachteln, ein altes Buch mit einem arabischen Titel. Andere Möbelstücke, wie das Bett, auf dem ich lag, und zwei kleine Sessel, standen auf einem schäbigen orientalischen Teppich. Jenseits der Tür hörte ich kein Geräusch, obgleich unter dem Türspalt hindurch Licht schien. Und dann fiel es mir auf.
Voller Unruhe ließ ich meine Augen wieder zu dem Toilettentisch schweifen. Die Krawatte, das Rasierwasser, und die Tatsache, das nirgends ein Haarband oder Ähnliches zu sehen war, all dies konnte nur eines bedeuten: Daß ich mich im Schlafzimmer eines Mannes befand. Und man mußte nicht besonders scharfsinnig sein, um zu erkennen, daß dieser Mann ein Araber war.
Beherzt stieg ich aus dem Bett und lief nur mit Strümpfen an den Füßen zur Tür. Kein Geräusch. Wer auch immer da draußen war (denn man hatte mich sicher nicht allein gelassen), er verhielt sich verdammt ruhig. Ich öffnete die Tür einen Spalt weit und riskierte einen kurzen Blick. Alles, was ich sehen konnte, war helles Licht von zahlreichen Lampen. Obwohl ich noch immer nicht recht wußte, was mich da draußen erwartete, stieß ich die Tür vorsichtig ganz auf und trat in einen warmen, gut beleuchteten Raum. Irgendwo im Hintergrund tönte aus einem Radio leise arabische Musik, und ein ungewohnter, aber durchaus nicht unangenehmer Geruch erfüllte die Luft. Dieser Raum machte einen völlig fremdartigen Eindruck auf mich: weiße Wände, die mit Gemälden ägyptischer Altertümer geschmückt waren, Regale, auf denen sich antike Skulpturen dicht an dicht drängten, ein
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