Spiel des Schicksals
Bitterkeit, als ich daran dachte, für welch eine Närrin er mich gehalten haben mußte und wie ahnungslos ich in seine Falle getappt war. Ein klein wenig Charme, ein gut geschnittenes Gesicht, und schon war ich bereit gewesen, ihm mein Leben anzuvertrauen. Ich war nicht sicher, was mich mehr erzürnte, seine Hinterhältigkeit oder meine Einfalt. Ich wußte nur eines: Lydia Harris würde eine solche Dummheit kein zweites Mal begehen. Ganz egal, wie bezaubernd der Mann sein mochte. Dann dachte ich an Dr. Kellerman. Er war jetzt sicher furchtbar besorgt und machte sich bestimmt Vorwürfe, daß er mich hatte fortfliegen lassen. Als ich überlegte, wer ihm wohl in meiner Abwesenheit assistierte, mußte ich lächeln, denn ich wußte, wer es auch war, er würde sehnlichst auf meine Rückkehr warten. Er war ein rauher, alter Brummbär im OP, aber die Tatsache, daß er der beste Chirurg unter den Mitarbeitern des Krankenhauses war, gab ihm das Recht dazu. Adele oder nicht, ich beschloß, Dr. Kellerman noch heute anzurufen.
Zuletzt schweiften meine Gedanken zu der Ursache dieses ganzen Wahnsinns: zu meiner Schwester Adele. Ich fragte mich, wo sie in diesem Augenblick wohl stecken mochte und was sie tat. Ich fragte mich auch, ob sie versuchte, sich mit mir in Verbindung zu setzen, ob sie vielleicht sogar in der Nähe war. Und das größte Rätselraten gab mir diese geheimnisvolle Sache auf, in die wir nun beide verstrickt waren.
Ich muß eine Stunde im Bett gelegen haben, bevor ich mich zögernd entschloß aufzustehen. Mein Kopf schmerzte noch immer und schrie förmlich nach Aspirin, während mein Magen knurrte wie hundert hungrige Löwen. Als ich mich angezogen hatte und vor meiner Tür noch immer kein Geräusch vernahm, schaute ich kurz nach dem Schakal. Nachdem Achmed Raschid mich in der Nacht zuvor allein gelassen hatte und ich gehört hatte, wie er wegging und ein paar Lichter löschte, hatte ich sofort meinen Koffer geöffnet und den Schakal – zu meiner gelinden Überraschung – noch genauso vorgefunden, wie ich ihn hinterlassen hatte. Ich hatte einige Minuten gebraucht, um mir ein neues Versteck für ihn zu überlegen, und ihn zu guter Letzt einfach unter das Kopfkissen gestopft. Falls irgend jemand auf die Idee gekommen wäre, nachts in meinem Zimmer herumzuschnüffeln, dann hätte er zumindest um den Schakal kämpfen müssen. Jetzt zog ich ihn unter dem Kopfkissen hervor, und da ich schon vollständig angekleidet war, schob ich ihn in meinen Hosenbund und ließ meine Bluse darüberfallen. Das war zwar nicht sonderlich angenehm, aber zumindest hatte ich den Schakal auf diese Weise immer bei mir und würde mir nicht ständig Sorgen darum machen müssen. Ich blieb stehen und schaute mich im Spiegel an. Die Bluse war weit und zeigte keine Ausbuchtung. In den letzten Tagen war der Wert dieses Stücks Elfenbein an irgendeiner mehr als obskuren Börse anscheinend um ein Vielfaches gestiegen, so daß es mir jetzt beinahe vorkam, als trüge ich die britischen Kronjuwelen an meiner Hüfte. Der Schakal war mir jetzt ebenso wichtig. Auf irgendeine Weise war er der Schlüssel zu Adeles Aufenthaltsort.
Achmed Raschid war nicht zu Hause. Dies überraschte und erleichterte mich zugleich, und in gewisser Weise verwirrte es mich auch. Da ich noch immer keine Klarheit darüber hatte, ob ich mich nun als seine Gefangene oder als seinen Gast betrachten sollte, war ich argwöhnisch und auf eine weitere Auseinandersetzung gefaßt aus dem Schlafzimmer herausgetreten. Aber er war nicht da, ich wurde nicht bewacht, und die Wohnungstür ließ sich ganz leicht öffnen. Nachdem ich einen raschen Blick auf die Treppe geworfen hatte, die von seiner Wohnung nach unten führte, schloß ich die Tür wieder. Immerhin verfügte sie über ein Schnappschloß, so daß ich vor unliebsamen Überraschungen einigermaßen sicher war. Dann durchquerte ich das Zimmer und stieß die Fensterläden auf.
Lärm, Licht und Gerüche und ein buntes Gemisch von orientalischer Betriebsamkeit schlugen mir entgegen. Ich befand mich im vierten Stockwerk und überblickte eine der geschäftigsten Straßen, die ich je zu Gesicht bekommen hatte. Als ich das Fußgängergewirr unter mir sah, trat ich schnell zurück und schloß die Läden wieder. In diesem Augenblick wußte ich, was Mr. Raschid gemeint hatte, als er sagte, daß die Straßen überfüllt seien und daß ich allein gegen ihn bessere Aussichten hätte als gegen jene da draußen. Lieber Himmel, in dieser Straße
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