Spiel des Schicksals
sich auf etwas, »und komme heute nachmittag wieder. Bitte fühlen Sie sich wie zu Hause. Mein Haus ist Ihr Haus, und alles, was darinnen ist, gehört Ihnen.«
»Danke.«
» Schukran.«
Als er in seine Jacke schlüpfte und zur Tür ging, fiel mir etwas ein: »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Ihr Telefon benutze? Ich werde ein R-Gespräch führen.«
»Ich habe kein Telefon, Miss Harris. Nur wenige Leute in Kairo besitzen eines, denn es ist ein teurer Luxus. Nicht weit von hier gibt es aber eine Telefonzentrale. Ist es dringend?«
»Nun, eigentlich schon.«
»Ich würde es nicht begrüßen, wenn Sie jetzt schon ausgingen. Lassen Sie uns noch etwas abwarten, und ich werde Sie hinbringen. Auf diese Weise ist für Ihre Sicherheit gesorgt. Auf Wiedersehen.« Ich horchte hinter der Tür, wie seine Schritte auf der Treppe verhallten, und stellte mich dann wieder hinter die Fensterläden. Durch die schmale Öffnung konnte ich sehen, wie Achmed Raschid unten aus dem Haus trat und im Gewühl der Fußgänger verschwand. Als er außer Sicht war, beobachtete ich eine Weile die unten vorbeiziehende Menschenmenge, die gegenüberliegenden Fenster und die Dächer. Da gab es niemanden, nicht einen einzigen, den man in Verdacht haben könnte, diesen Ort zu überwachen.
Ich schloß die Läden und setzte mich wieder auf die Couch. Dr. Kellerman nicht anrufen zu können war eine Enttäuschung, aber ich war fest entschlossen, am Abend darauf zu dringen. Ich schenkte mir eine zweite Tasse von dem süßen Tee ein und lehnte mich zurück, um eine Weile meinen Gedanken nachzuhängen. Ich glaube, es war eine Art Flucht, ein Verteidigungsmechanismus, der die Gegenwart aus meinem Sinn verdrängte und mich in die Vergangenheit abdriften ließ. Ich wollte nicht an John Teadwell oder Adele oder den Schakal oder die Männer denken, die mir nach dem Leben trachteten. Ich wollte mich mit etwas Vertrautem trösten, mit etwas Warmem und Angenehmem. So dachte ich an Dr. Kellerman. Du hast mir vorgeworfen, zu pedantisch zu sein, sagte mein Geist zu seinem Bild, das mir vorschwebte. Du hast immer gesagt, ich sei zu ordentlich und zu organisiert. Dann schau mich doch jetzt einmal an, wo ich aus einem Koffer lebe, in Freizeithosen und Bluse herumlaufe und mich irgendwo in Kairo in der Wohnung eines seltsamen Mannes verstecke, mit dem Schakal, der wie eine verborgene Waffe in meiner Seite steckt.
Ich hatte alles um mich herum vergessen. In meiner Träumerei von Dr. Kellerman und vergangenen Dingen war ich der Gegenwart entglitten. Wieder war es der Muezzin und sein geheimnisvoller Singsang, der mich auf den Boden der Wirklichkeit zurückholte. Zum x-ten Mal erhob ich mich und ging zum Fenster, spähte durch die Läden hinaus, hielt nach verdächtigen Personen Ausschau und wandte mich, in bezug auf meine Sicherheit etwas beruhigter, wieder ab. Falls irgendwer diese Wohnung bewachte, dann stellte er sich verdammt geschickt dabei an.
Ich lief eine Zeitlang hin und her. Das Kopfweh klang allmählich ab und damit auch die ständige Erinnerung an die Gefahr, in der ich schwebte. Vielleicht war das alles ein wenig zu melodramatisch, begann ich zu denken. Gewiß gab es auf alles eine einfache Antwort. Dann schoß mir ein anderer Gedanke durch den Kopf. Einer, der mir erstaunlicherweise vorher nicht gekommen war, obwohl er eigentlich nahe lag. Die Arme in die Seite gestemmt, hielt ich mitten im Zimmer inne.
Diese Frage hatte sich ganz zufällig unter meine ziellosen Gedanken gemischt und mich zusammen mit den anderen Ängsten und Zweifeln überfallen: Wo war Adele? Was bedeutete der Schakal? Wer war Achmed Raschid? Warum sollte ich ihm vertrauen? Warum sollte ich glauben, daß nicht er John umgebracht hatte?
Und außerdem… warum sollte ich ihm eigentlich glauben, daß John tot sei?
Angesichts dieser Möglichkeit sank ich auf der Couch in mich zusammen und starrte bestürzt auf meine Hände. Allmächtiger, es war ja denkbar, daß John noch am Leben war und nach mir suchte und noch immer mein Freund war und überhaupt nicht das, was Achmed Raschid von ihm behauptete. Aber wie sollte ich dann seine Zusammenkunft mit dem dicken Mann verstehen, und warum hatte er ohnmächtig auf dem Boden gelegen?
Jetzt begann mein Kopf wieder zu schmerzen. So wenig Gewißheit hatte ich in dieser dunklen Angelegenheit! Alles, dessen ich hier sicher sein konnte, war meine eigene Identität und daß ich noch im Besitz des Schakals war. Ich war nicht einmal mehr über
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