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Spiel des Schicksals

Spiel des Schicksals

Titel: Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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den Wochentag auf dem laufenden. Wieder spürte ich Wut in mir hochkommen – diesmal aus Frustration über meine Hilflosigkeit und meine Unfähigkeit, irgend etwas alleine zu tun. Ich wollte die Situation im Griff haben, doch in Wirklichkeit war ich bloß eine hilflose Schachfigur. War John noch am Leben?
    Es lag auf der Hand, daß ich schwerlich einen Beweis dafür finden würde. Und natürlich konnte ich auch nicht hinausgehen und nach ihm suchen. Nicht zurück ins Shepheard’s. Dieses Risiko war wirklich zu groß.
    Dann stutzte ich abermals. Etwas erregte meine Aufmerksamkeit. Ich weiß eigentlich nicht, warum es mir auffiel, doch als ich an dem kleinen, gegen eine Wand geschobenen Eßtisch vorüberging, fiel mein Blick auf die zusammengefaltete Zeitung, die Achmed Raschid am Morgen mitgebracht und achtlos liegengelassen hatte. Als ich jetzt daraufschaute, überkam mich eine beunruhigende Vorahnung. Es war beinahe, als ob ich, ohne überhaupt in die Zeitung hineinzusehen, wußte, was sie enthielt.
    Ich breitete sie mit der Titelseite nach oben auf dem Tisch aus, sah die verschlungenen arabischen Buchstaben der Schlagzeile, sah das Foto des zugedeckten Körpers und den Kreis der Beine und Füße darum herum und stellte mir vor, daß die schnörkeligen Schriftzeichen der Bildunterschrift besagten, daß in einem der feinsten Kairoer Hotels ein Mord geschehen war.
    Tränen stiegen mir in die Augen. Erneute Trauer über Johns Tod, und diesmal sah ich ihn, wie ich ihn zuletzt gesehen hatte. Wahrscheinlich war meine Phantasievorstellung, daß John ja eigentlich gar nicht tot sei, ein schwacher Versuch meines überstrapazierten Hirns gewesen, sich an der kleinsten Hoffnung festzuklammern. Der Versuch war fehlgeschlagen. So schön es gewesen war, sich für einen kurzen Augenblick vorzustellen, daß John wirklich lebte und daß der Araber mir nur Lügenmärchen erzählt hatte, so mußte ich jetzt den Tatsachen ins Auge sehen.
    Das Geräusch von Schritten auf der Treppe riß mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um und horchte. Anfangs weit entfernt, wurden die langsamen und gleichmäßigen Tritte immer lauter, bis ich merkte, daß sie sich der Wohnungstür näherten. Plötzlich verstummten sie, worauf man ein leichtes Pochen vernahm. Jemand klopfte an die Tür.
    Ich stürzte sofort ins Schlafzimmer und warf die Tür hinter mir zu. Mit einer Hand an dem Schakal unter meiner Bluse öffnete ich sie gleich darauf wieder einen winzigen Spalt. Dicht dagegengepreßt, stand ich da und spähte mit einem Auge durch den Spalt. Ich hielt den Atem an. Als ich das Geräusch eines Schlüssels vernahm, setzte mein Herz einen Schlag aus. Langsam ging die Wohnungstür auf. Die Tür, die ich selbst gut zugedrückt hatte.
    Ich wagte kaum zu atmen und preßte mein Gesicht gegen die Tür, während ich mit einem Auge wild nach draußen starrte. Im nächsten Moment trat eine Frau ins Zimmer, zog den Schlüssel ab und schloß dann leise die Tür hinter sich.
    Es war eine junge Frau, die ich nie zuvor gesehen hatte, ungefähr in meinem Alter, mit pechschwarzem Haar, das ihr bis zu den Hüften reichte, dunkler, olivfarbener Haut und großen, suchenden Augen. Die Schlüssel in der einen Hand, eine Handtasche in der anderen, schaute sie sich in der Wohnung um. Sie schien zu lauschen. Ich hielt noch immer den Atem an und fragte mich, ob sie das Pochen meines Herzens hören konnte.
    Dann rief sie: »Miis Hariis!« Ich fuhr zusammen. Sie horchte, sah sich abermals um und rief noch einmal: »Miis Harris!« Im Bruchteil einer Sekunde entschloß ich mich, ihr entgegenzutreten. Sie würde ohnehin nicht lange brauchen, um mich zu finden, und mich verängstigt im Schlafzimmer zu verstecken war nicht die Art von Eindruck, den ich bei ihr erwecken wollte. So beschloß ich, in der selbstsichersten und furchtlosesten Haltung, zu der ich mich zwingen konnte, direkt auf sie zuzugehen. Es kam gar nicht in Frage, daß ich mich gleich zu Anfang in die Verteidigung drängen lassen sollte. Ich riß die Tür auf. »Ja?«
    »Oh, Miis Hariis!« Auf ihrem Gesicht machte sich ein strahlendes Lächeln breit. »Guten Tag.« Sie streckte ihre Hand aus. Völlig verwirrt ergriff ich sie, und wir schüttelten uns die Hände. Mit einem lächerlich schwerfälligen Akzent sagte sie: »Ich freue mich, Sie zu treffen, danke.« Als nächstes äußerte sie etwas auf arabisch. Als sie mein verständnisloses Gesicht sah, lachte sie, schüttelte den Kopf und deutete auf sich.

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