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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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weil sie einfach nicht damit aufhören kann, in der Apotheke Lakritz zu klauen.« Lara warf das rote Negligé in den Mülleimer, dann riss sie eine Schublade ihrer Kommode auf und warf zwei weitere hinterher. In hohem Bogen flogen Samt und Seide über mich hinweg.
    »Eine dritte Frau war da, weil sie meint, sie glaubt nicht mehr an Gott. Ihr ganzes Leben lang geht sie schon zur Kirche, hat sie mir gesagt. Sie hätte an Gott geglaubt, weil das schon ihre Eltern getan hätten und weil es ihr Mann tut, aber mir hat sie gesagt, dass es ihrer Meinung nach entweder keinen Gott gibt, dass Gott ein machtloses Wesen ist oder dass es ihm egal ist, wenn die Leute auf der ganzen Welt leiden. Sie sagt, sie kann nicht an einen Gott glauben, der nicht einschreitet und denen hilft, die seine Hilfe brauchen. Sie ist langsam der Ansicht, dass der Mensch nur an Gott glaubt, weil er eine Stütze braucht.«
    »Sie ist zu dir gekommen, zur Frau des Pastors, und hat dir das erzählt?« Ich war entsetzt. So etwas würde man doch keiner Pfarrersfrau anvertrauen.
    »Allerdings. Und weißt du was, Julia? Ich konnte nur weinen. Was sie sagte, ging mir zu nahe. Ich konnte ihr nicht helfen. Es kam mir albern vor, ihr zu sagen, sie solle in der Bibel nach Antworten suchen. Am Ende hat sie
mich
getröstet.«
    Lara zog zwei Pullover, einen beigen und einen grauen, aus dem Schrank und warf sie in den Koffer. »Ich hasse diese grässlichen Teile«, sagte sie und stopfte sie zurück in den Schrank. Das gleiche Schicksal ereilte fünf weitere Pullis, vier Hosen und zwei Paar Schuhe.
    »Ich weiß selbst nicht mehr, ob ich an Gott glaube, Julia«, flüsterte sie. Dann sackte sie neben mir auf dem Bett zusammen. »Sieh dir an, was mit Lydia passiert. Warum gerade sie? Sie hat mehr Menschen in dieser Stadt geholfen, als ich zählen kann. Weißt du, wie vielen Leuten sie Eier und Knoblauch schenkt? Wie oft sie mir Blumensträuße aus ihrem Garten mitgebracht hat, die ich anderen Menschen geben sollte, denen es nicht gut geht? Sie hat es einfach nicht verdient. Und sie ist nicht die Einzige. In der ganzen Welt sieht es so aus. Alles geht vor die Hunde. Sieh dir an, was mit Shawn und Carrie Lynn passiert ist. Warum hat Gott da nicht geholfen? Warum hilft Gott den Kindern nicht?«
    Lara schluchzte, bekam einen Schluckauf, ließ sich auf den Boden gleiten, schlang die Arme um die Knie und wiegte sich. Ich legte mich neben sie.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, um ihr zu helfen. Alles würde abgedroschen und scheinheilig klingen. Außerdem war sie sicherlich nicht in der Verfassung, mir zuzuhören.
    »Sieben Tage die Woche, Tag für Tag, außer an unseren Psycho-Abenden, spreche ich über Gott, halte die Menschen an, ihr Leben nach dem Vorbild Jesu Christi zu leben, mit ihrem Leben Gott zu dienen. Ich bete ununterbrochen, mit anderen, mit meinem Mann, und trotzdem spüre ich Gott nicht mehr in meinem Herzen. Früher konnte ich ihn fühlen, aber jetzt nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Gibt es einen Gott, oder
haben die Menschen ihn erfunden, weil sie an ein Leben nach dem Tod glauben wollen, weil sie glauben wollen, dass einer alles wiedergutmachen kann? Wollen wir einfach verzweifelt glauben, dass ein höheres Wesen die Macht hat, weil wir es sonst nicht auf diesem Planeten aushalten würden?«
    Lara wurde immer lauter. Ich legte meinen Arm um sie. »Ich halte das einfach nicht mehr aus. Ich ertrage diese Scheinheiligkeit nicht mehr, die ständige Arbeit. Ich halte es nicht mehr aus, nicht ich selbst zu sein.«
    »Du willst nicht einfach nur verreisen, Lara, stimmt’s?« Warum bloß stellte ich so eine blöde Frage? Ich kannte die Antwort doch schon.
    »Nein, ich verreise nicht.« Lara stand auf, nahm eine Jacke und zwei Jeans aus dem Schrank, legte sie in den Koffer und ließ ihn zuschnappen. »Ich ziehe aus.«
    Sie wies auf ein paar Stiefel neben dem Bett. Ich reichte es ihr. Sie schlüpfte hinein. »Du ziehst aus? Weiß Jerry das schon?«
    Da begann sie wieder zu weinen. Sie würgte und keuchte, dann schüttelte sie den Kopf.
    »Nein? Du hast es ihm nicht gesagt?«
    »Ich kann einfach nicht«, brachte sie hervor. »Ich ertrage es nicht, ihm das Herz zu brechen. Ich will ihm nicht wehtun.«
    »Ich dachte immer, du liebst Jerry.« Zum Kuckuck, wenn ich jünger wäre, würde ich Jerry lieben, selbst wenn ich den ganzen Tag für ihn Bibelstunden abhalten und dabei Rad schlagen müsste. Jerry sah gut aus, er war klug, lieb und lustig. Die ganze Stadt

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