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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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herauszureden. »Was für ein Schicksal siehst du in meinen Knien? Wie sieht meine Zukunft aus?«
    Caroline lachte. »Ach, in deinen Knien sehe ich gar nichts über die Zukunft. Sie sind das Tor zur Vergangenheit, zu deinem Schmerz. Deine Zukunft habe ich schon gesehen, als ich hereingekommen bin.«
    »Du hast meine Zukunft gesehen?« Ich war schockiert.
    »Ja«, sagte Caroline. »Und nein. Ich habe dich in einer rotvioletten Wolke gesehen und –«
    »Eine rotviolette Wolke?«
    »Ja. Das bedeutet Veränderung und Entscheidung.«
    »Was noch?« Ich wusste, dass Caroline etwas zurückhielt. Sie rang die Hände, ihr Auge zuckte stärker.
    Es klingt melodramatisch, wenn ich sage, dass die Kerze zwischen uns flackerte und erlosch, aber genau so war es. Sie erstarb einfach, der Docht sackte in den Wachs. Obwohl noch andere Kerzen leuchteten und Lydias Sticklampe brannte, war es plötzlich dunkel zwischen Caroline und mir.
    »Julia, Liebes –«, setzte sie an.
    »Sag’s mir einfach! Schlimmer als jetzt kann es gar nicht werden.«
    »Ich sehe etwas Schwarzes. Einen schwarzen Ring um die violette Wolke. Er umgibt dich. Das ist eine Warnung.«
    »Eine Warnung?« Angst breitete sich von meinen Füßen über den ganzen Körper aus. Wieder begann mein Herz zu
klopfen, meine Hände wurden abwechselnd heiß und kalt. Die unbekannte Krankheit, ausgelöst durch Stress.
    Ich bekam keine Luft, konnte kaum atmen.
    »Es gibt jemanden, der dich hasst.«
    Ich nickte.
    »Sei vorsichtig!«
    Ich nickte erneut. »Was ist mit der violetten Farbe?«
    »Die hat etwas mit Schokolade zu tun«, sagte Caroline voller Ernst. »Wenn die Schokolade kommt, ändert sich dein ganzes Leben. Damit fängt alles an.«
    Kurz setzte mein Atem komplett aus. Hatte sie »Schokolade« gesagt? Mein Herz schlug langsamer, das Eis schmolz in meinen Adern, der sonderbare schwarze Schatten, der mein Blickfeld manchmal einengte, wenn meine geheimnisvolle Krankheit zuschlug, löste sich auf.
    »Du bist auf dem Weg zur Schokolade«, sagte Caroline mit entschlossenem Gesicht. »Und davon bist du nicht abzuhalten.«
    »Aha«, sagte ich und versuchte, nicht zu lachen. »Immer auf Schokolade achten!«
    »Genau«, sagte Caroline und sah mich ernst an, meine Hände in ihren. »Immer auf Schokolade achten!«

4
    Wenn ich einfach Anlauf nehmen und in den Sonnenaufgang springen könnte, wären bestimmt all meine Probleme gelöst.
    Das dachte ich, während ich zusah, wie die Sonne in der Ferne über die blaue Bergkette lugte. Die Sonne war goldgelb wie ein Eidotter, umgeben von Rosa- und Orangetönen, die an Zuckerwatte und ausgepresste Apfelsinen erinnerten.
    Ich wusste, dass ich den Verstand verlor, aber auf eine verquere Weise war ich stolz darauf, dass ich dabei immer noch die Schönheit der Natur bewundern konnte.
    Ich setzte mir den Hut auf, drückte ihn auf meine Locken. Der Tag brach gerade an, und ich fütterte Tante Lydias Hühner. Ich hatte noch nicht geduscht und roch mit Sicherheit nach Hühnerdreck. Außerdem hatte ich braunen Matsch an den Beinen und Stroh auf dem Karohemd, das mir fast bis in die Kniekehlen reichte. Ich war nämlich ausgerutscht, als ich die Ferkel streichelte. Alle waren auf einmal gekommen, da hatte ich das Gleichgewicht verloren.
    Nach dem Psycho-Abend über die Macht der Brüste hatte ich gut geschlafen, in den folgenden zwei Nächten jedoch nie mehr als ein paar Stunden. Und wenn ich schlief, träumte ich, dass Robert mich mit einer Spitzhacke verfolgte.
    Eine Spitzhacke ist kein alltäglicher Gegenstand. Sie sieht böse und gemein aus. Und so etwas geisterte durch meine Träume. Mich wunderte nicht, dass Robert sie in der Hand hielt. Es machte mir nicht mal besondere Angst. Angst machte
mir, dass Robert dabei lächelte. Er lächelte so lieb, so gewinnend, dass mir schlecht wurde vor Panik.
    Im Traum begann ich zu laufen. Manchmal will man im Traum von der Stelle, kann sich aber nicht bewegen, und der Verfolger holt einen in Lichtgeschwindigkeit ein. Man kommt nicht vorwärts, weil man sich mit den Beinen in der Bettdecke verheddert hat und schweißgebadet damit kämpft.
    Bei mir war es ganz anders. In diesen Hackebeil-Träumen konnte ich laufen. So schnell, so ausdauernd und so gut, dass ich Zeit hatte, mich hinter Häusern zu verstecken. Irgendwann tauchte Robert dann auf, die Spitzhacke über dem Kopf, ein Grinsen im Gesicht. Kurz bevor er mich töten konnte, lief ich wieder los und versteckte mich hinter einer Brücke. Wieder kam er

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