Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
Vom Netzwerk:
Mir sind zu viele auf den Kopf getreten.«
    »Das stimmt, aber das lässt sich dein Kopf nicht mehr bieten!« Tante Lydia breitete die Arme aus. »Die Welt schickt dir gutes Karma, mein Schatz, und dazu gehört kein Auf-den-Kopf-Treten.«
    »Immer gut zu wissen, Tante Lydia, danke.«
    »Jetzt guck dir mal das hier an!« Lydia wies auf ein blaugestrichenes Regal, hinter dem ein großes Eierdepot versteckt war, ungefähr zwanzig Stück.
    »Hühner verstecken gerne etwas. Sie mögen Geheimnisse. Wie diese Eier hier in ihrem kleinen Geheimversteck. In dieser Hinsicht sind Hühner wie Frauen. Wir haben alle unsere Geheimnisse. Manche sind nur klein, nichts Besonderes. Für andere wieder schämen wir uns.« Sie bückte sich und drückte ein Huhn an sich, als wäre es ein Baby. »Manche Geheimnisse lieben wir, weil wir uns zu ihnen flüchten können, wenn wir einen schlechten Tag haben und an etwas denken, das wir nicht hätten tun sollen. Das sind die interessantesten.
Eigentlich
müssten wir uns schuldig fühlen, so schuldig, dass wir innerlich schmoren müssten und uns der Rauch aus den Ohren quellen müsste, aber damals war das richtig, was wir getan haben. Natürlich war es auch falsch, verführerisch falsch, sonst wäre es ja jetzt kein Geheimnis, aber tief in unserem Herzen bedauern wir es nicht.«
    Ich wusste nicht genau, wovon sie sprach, aber ich kannte mich aus mit Geheimnissen. Ich hätte lieber drauf verzichtet. Seit meinem vierten Lebensjahr kannte ich die schlimmsten Geheimnisse. Sie taten immer weh. Wenn ein Mann mir als Kind sagte, er wolle ein Geheimnis mit mir teilen, wusste ich, dass es wehtun würde. Das war immer so. Die Freunde meiner Mutter, die mir von Anfang an viel Aufmerksamkeit entgegenbrachten, waren die schlimmsten.
    Je älter ich wurde, desto schlauer wurde ich. Wenn ein Freund meiner Mutter sagte, er wolle ein Geheimnis mit mir teilen, verdrückte ich mich. Sobald meine Mutter einen neuen Freund hatte, sah ich mich nach Orten um, wo ich die Nacht verbringen konnte. Ich fand heraus, wo Obdachlosenunterkünfte waren, suchte Verstecke unter Bäumen im Park, wo ich sicher schlafen konnte, und fand Möglichkeiten, auch nach der Öffnungszeit in der Stadtbibliothek zu bleiben. Das war gar nicht so schwer. Nächtelang las ich dort Bücher. Außerdem freundete ich mich mit unseren Nachbarn an, um herauszufinden, zu wem ich im Notfall gehen konnte.
    »Apropos Geheimnisse, Julia, mein Schatz.« Lydia sah mich an. Sie trug ein ähnliches Flanellhemd wie ich, ihre grauen Zöpfe waren unter die Baseballkappe gestopft, ihre Kopfhaltung war stolz und stark, wie immer.
    »Wann immer du reden möchtest, ich bin für dich da.«
    Ich musste schlucken. Zweimal. Sah zu Boden. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind. So wie früher, wenn ich im Sommer auf Lydias Hof gekommen war, unglaublich erleichtert, bei ihr zu sein und entkommen zu sein, wenn auch nur für kurze Zeit. Von Gefühlen übermannt, ließ ich den Eierkorb von einer Hand in die andere wandern – Angst, Sorgen, Schmerzen.
     
    Der Mann in Tante Lydias Küche war groß.
    Ein Riese.
    Ohne ein Gramm Fett.
    Mit Schultern so breit wie ein Auto und einer Brust so groß wie ein Kopfkissen.
    Und er lächelte mich an.
    Von Anfang an war mir Dean Garrett äußerst sympathisch, dieser riesige Mann mit dem goldblonden Haar, der wettergegerbten braunen Haut und den strahlend blauen Augen, die mich geradeheraus ansahen und nicht zur Seite blickten, so wie es viele Männer taten, die das Interesse an mir verloren, nachdem sie meine Brüste bestaunt hatten.
    Er lachte nicht, als er mich in all meiner schmutzigen Herrlichkeit sah. Das sprach ebenfalls für ihn. Dennoch ließ der Anblick eines so großen, so stark wirkenden Mannes mein Herz vor Angst ein bisschen schneller schlagen. Ich habe mich nie wohl gefühlt in der Nähe von Männern, mit Ausnahme von Stash, und nach meiner Erfahrung mit Robert und den Freunden meiner Mutter machte mich jeder Mann nervös, der aussah, als könnte er mein Gesicht zu Brei schlagen.
    Auch dieser hier.
    »Dean Garrett!«, dröhnte Tante Lydia, als sie in ihrer Küche den Riesen erblickte, der sich gegen die Theke lehnte und mit Stash eine Tasse Kaffee trank. »Ich habe dich so lange nicht gesehen, ich wollte mir schon ein neues Schwein machen lassen und es nach dir benennen!« Sie umarmte ihn, verschwand fast in seinen Armen.
    Ein Grinsen zog sich über sein Gesicht. Er hatte ein kantiges Kinn, weiße Zähne und kleine Falten in den

Weitere Kostenlose Bücher