Spiel mir das Lied vom Glück
Hühnern!
»Hat mich gefreut«, sagte ich, aber es klang leise in meinen Ohren. Als sei er taub, fügte ich laut hinzu: »Schön, Sie kennengelernt zu haben.«
Ich hätte ein Loch in den Boden graben können, um darin zu versinken.
»Ach, Schätzchen, verabschiede dich doch noch nicht«, sagte Stash. »Geh schnell duschen, und dann komm rasch wieder runter, und frühstücke mit uns. Ich mache für deine Tante, für dich und Dean mein weltberühmtes Omelett. Es ist das beste in ganz Oregon, das weißt du. Wenn es einen Omelett-Wettbewerb gäbe, würde ich gewinnen. Da bin ich mir sicher. Also husch, husch unter die Dusche, dann bist du im Nu wieder hier.«
Ich brachte ein nervöses Lächeln zustande. Dann schlug die Angstkrankheit wieder zu. Mein Herzschlag beschleunigte auf tausend Schläge pro Minute, ich bekam keine Luft mehr, mir wurde eiskalt, ich hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Alles gleichzeitig.
Ich wandte mich ab, lief zum Glück nur gegen einen Stuhl und den Türpfosten, dann stolperte ich durchs Wohnzimmer. Na, super! Jetzt wusste Dean Garrett, dass ich ein Trampeltier war. Die Treppe erhob sie wie ein Berg vor mir, kurz dachte ich, ich bräuchte Steigeisen, um hinaufzukraxeln. Eine unsichtbare Pumpe hatte mir jegliche Luft aus den Lungen gesaugt.
Ich taumelte die Treppe hinauf, dann ließ ich mich auf mein Bett fallen und verbarg den Kopf in den Händen.
Ich spürte, wie die Angstkrankheit schlimmer wurde, immer heftiger, bis ich glaubte, nie wieder atmen zu können. Schweiß stand mir auf der Stirn, das altvertraute Zittern zog sich durch meine schwachen Glieder.
Was war das für eine Krankheit? Der erste Fall von Lepra in hundert Jahren? Würde ich leiden müssen? Würde ich im Hühnerstall tot umfallen und nie gefunden werden, weil die Hühner ihre Eier auf meinen Körper legten?
Man würde sich an mich erinnern als die Tote unter Eiern.
Und Dean Garrett würde es lesen. Wie demütigend!
Ich versuchte zu atmen, aber es ging nicht. Mein Kopf drehte sich. Ich versuchte es erneut. Jetzt bekam ich wieder Luft. Ich merkte, dass ein wenig in meine Lungen zurückströmte.
Einen weiteren Atemzug konnte ich tun, dann noch einen, und kurz darauf drang der süße Duft einer Jasminmischung zu mir durch. Der Vorhang vor dem Fenster flatterte, ich hörte eine von Lydias Katzen miauen, und das Glucken der Hühner stahl sich durch den dichten Nebel der Angst in meinen Kopf.
Mir war schon klar, dass ich mit der Angstkrankheit zum Arzt gehen sollte, aber ich wollte nicht hören, dass ich mir eine seltene, todbringende Krankheit von einer kleinen Kolonie Ameisen eingefangen hatte, die riesige Zähne bekommen und sich durch meine Haut genagt hatten.
Nein, Bescheid zu wissen ist nicht immer gut.
Ich hörte Tante Lydia, Stash und Dean unten reden und lachen, und ich wusste, dass ich keinen Bissen hinunterbekommen würde. Nicht in Gegenwart dieses Prachtexemplars von Mann. Ich war zwar erschöpft, und diese Erschöpfung würde noch lange auf mir lasten, aber ich konnte noch klar genug denken, um zu wissen, dass ich mich nicht neben einen baumlangen Mann setzen würde, dessen blaue Augen bis auf den Grund meiner Seele geblickt hatten.
Aber zu duschen wollte ich versuchen. Lydias Klamotten sanken zu Boden, ich stellte das Wasser an, shampoonierte mir das Haar und wusch es aus, dann schrubbte ich mir sämtlichen Hühnerdreck runter.
Ich trocknete mich ab, schlüpfte in meine Jeans und meine einzige schöne weiße Bluse, obwohl ich mit Sicherheit nicht zum Frühstücken nach unten gehen würde. Das machte mir zu viel Angst.
Ich legte silberne Kreolen an und band meine Uhr um. Und trug ein wenig Lippenstift auf.
Obwohl ich ganz bestimmt nicht zum Frühstück runtergehen würde. Viel zu unheimlich.
Lydia kam hoch und sah mich auf dem Bett sitzen.
»Ich wusste, dass du dich hier oben versteckst.«
»Ich verstecke mich nicht.«
»Klar versteckst du dich. Du musst deinen Mut aus deiner Gebärmutter ziehen und zu uns zum Frühstück kommen.«
»Ich verstecke mich nicht«, sagte ich in dem Versuch, vernünftig zu klingen. »Ich habe lediglich einen Nervenzusammenbruch. In ein paar Monaten ist das vorbei. Aber bis dahin halte ich mich nicht bei irgendwelchen Männern auf, schon gar nicht bei Männern, die mit dem Marlboro-Mann verwandt sind. Hat er ein Pferd vor der Tür stehen?«
Tante Lydia stöhnte. »Sehr witzig. Aber wo du danach fragst: Da steht tatsächlich eins. Nun ja, mit Motor. Du musst keine
Weitere Kostenlose Bücher