Spiel mir das Lied vom Glück
Angst vor ihm haben, Julia. Er ist ein guter Mann. Ein Mann, der keine Angst vor seinem Testosteron hat. Er beherrscht sein Testosteron, nicht umgekehrt. Er hat Eier wie Stahl, das sieht man an seinem Gang.«
Eier wie Stahl?
»Er ist vor ein paar Jahren hergezogen. Ist Bauer und Viehzüchter. Und Anwalt, deshalb ist er manchmal wochenlang in der Stadt. Ganz große Nummer. Keine Ahnung. Stash weiß genauer Bescheid.«
Na, super. Ein Viehzüchter. Und Bauer. Und Anwalt. Klar, so einer ist bestimmt ganz verrückt darauf, mit einer wie mir zu frühstücken. Mit einer paranoiden, kunstverliebten, errötenden, unbeholfenen, von der Natur zu gut ausgestatteten Ex-Verlobten mit blauen Flecken und schmutziger Kleidung, die ihr Hochzeitskleid in einen Baum gehängt hat und sich stattdessen lieber mit Hühnern vergnügt.
»Ich weiß nur, dass er verdammt gut pokern kann. Er hat Stash schon oft geschlagen und mich auch fast einmal. Er spielt um Vierteldollar, nicht um Pennies, wie die ganzen anderen Feiglinge in dieser Stadt.« Lydia schnaubte verächtlich und griff nach meinem Arm. »Ich fön dir die Haare.«
»Nein, bitte, Tante Lydia. Sag ihm, ich wäre krank. Ich hätte Lepra. Ich gehe auf keinen Fall zum Frühstücken runter.«
»Du siehst wirklich etwas blass aus, Julia. Und deshalb musst du deine Weiblichkeit mit Eiern und Käse aufpäppeln. Das wird dein inneres Gleichgewicht wiederherstellen, und genau das brauchst du. Diese Jeans steht dir übrigens echt gut.«
»Ich bin dick.«
»Du bist nicht dick. Du hast Kurven. Männer mögen es, wenn sie im Bett etwas zu greifen haben, Julia. Sie mögen warme, weiche Frauen. Nehmen sie auch lieber in den Mund, wenn ich’s recht bedenke. Aber Männer sind Schweine!«, rief sie, die Zeigefinger in der Luft, als wäre es ihr gerade wieder eingefallen. »Mit so einem dürren Klappergestell ins Bett zu gehen, das ist doch so, als ob man einen Zaunpfahl bumst. Findest du Zaunpfähle anziehend? Ich auch nicht. So, jetzt geh da rein, damit ich deine Locken trocknen kann. Sonst rufe ich Stash, damit er es macht.«
»Das tust du nicht.« Aber ich war mir nicht sicher.
»Und ob! So sicher, wie ich das Nordhaus orange streiche. Das mache ich nämlich morgen. Los, beweg dich!«
Ich stand auf, meine Knie waren noch ein wenig schwach von dem Angstanfall.
»Ach so, kannst du mir nach dem Frühstück helfen, das Nordhaus anzustreichen?«
»Sicher, Tante Lydia.« Ich würde den ganzen Tag arbeiten, wenn ich könnte. Es gab nichts Besseres als Arbeit, um sich von der Tatsache abzulenken, dass man von seinem ehemaligen Verlobten verfolgt wurde, während man gegen die Angstkrankheit ankämpfte und der Marlboro-Mann mit riesengroßen Stahl- ähm … -dingern unten in der Küche saß.
Ich erschauderte. Ich würde nicht runtergehen. Nicht mehr an seine Stahleier denken. Sonst würde ich kein einziges Würstchen herunterbekommen.
»Sie mögen also keine Würstchen?«, fragte Dean Garrett quer über den Tisch.
Stash hatte in der Tat das beste Omelett Oregons zubereitet. Mit Avocado, Shrimps und saurer Sahne. Dazu eine spezielle Sauce aus Tomaten und Gewürzen. Es war sehr lecker. Oder wäre es gewesen, wenn ich normal hätte essen können.
Stash saß links von mir, Lydia rechts. Stash hatte Blaubeermuffins mitgebracht. »Habe ich für dich gebacken, meine Süße«, sagte er zu mir und nahm mich in den Arm, bevor er mich an meinen Platz führte. »Du bist mein süßes Blaubeermädchen. Warst du schon immer, und wirst es immer bleiben.« Dann erzählte er Dean Garrett, dass ich eines Abends so viele Blaubeeren gegessen hatte, dass sie mich um zwei Uhr nachts ins Krankenhaus bringen mussten, weil ich solche Bauchschmerzen hatte, dass die Ärzte glaubten, mein Blinddarm müsse herausgenommen werden.
Wieder schaue ich in diese blauen Augen. Sie waren aufmerksam, sanft und freundlich.
Ich ertappte mich dabei, was ich tat.
Das Atmen nicht vergessen, Julia!
»Würstchen?«, fragte Dean erneut und lächelte mir über den Tisch hinweg zu.
Ich hatte nicht geantwortet, sondern ihn angestarrt.
»Nein, ähm, ja.« Ich schüttelte den Kopf. Ob es wohl eine Mrs.Marlboro gab? Ob sie genau so groß war wie er? »Ich mag große Würste.«
Oh, rette mich, Herrgott! Hatte ich gerade gesagt, ich würde große Würste mögen?
Stash’ Gabel fiel klappernd auf den Teller. Am Tisch herrschte Totenstille. Dann prustete Lydia los.
Stash bemühte sich, sein Lachen zu unterdrücken. Er klang wie eine
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