Spiel mir das Lied vom Glück
war. Keine Überraschung. Deidre war nach Portland gezogen, und J. D. war ihr gefolgt.
»War schon mal besser«, erwiderte Katie. Sie sah blass und abgespannt aus. Ihr herrliches Haar hing schlaff herunter. »Ich hole gerade meinen alkoholkranken Ehemann ab, der mich wegen einer anderen Frau verlassen wollte. Ich verstehe mich selbst nicht mehr.«
Ich nickte und klopfte ihr auf die Schulter. Ich verstand die ganze Sache auch nicht, aber als Freundin blieb man dabei, auch wenn einem nichts mehr einleuchtete.
Nach dem Vorfall am Morgen hatte Deidre erzählt, sie würde Katie wegen tätlichen Angriffs mit der Bibel anzeigen.
Lara hatte sich die Zeit genommen, Deidre ins Bild zu setzen, während sie ihr einen Eisbeutel auf die Nase drückte. »Dann erklär ich Ihnen mal kurz, wie die Sache laufen wird, Deidre.« Ohne mit der Wimper zu zucken, drückte Lara mit dem Eisbeutel stärker zu. Deidre fluchte vor sich hin.
»Zeigen Sie Katie ruhig an. Vergessen Sie dabei aber nicht, dass der Polizeichef ein guter Freund von Lydia und Stash ist, die wiederum Katie sehr nahestehen. Sollte der Polizeichef sich gezwungen sehen, die Anzeige zu verfolgen, werden Geschworene bestellt werden. Im Prozess werden die Geschworenen erfahren, dass Sie eine Affäre mit J. D. Margold haben, einem arbeitslosen, gewalttätigen, bösartigen Säufer, den niemand in der Stadt leiden kann.«
Deidre wurde rot.
»J. D.s Frau, Katie Margold, arbeitet als Putzfrau, sorgt für ihre vier Kinder, hilft in der Schule und unterstützt die Ehefrau des Pfarrers. Zufällig verlor sie beim Beten die Kontrolle über ihre Bibel, sodass sie Ihnen an die Nase flog.«
»Sie hat nicht
zufällig
die Kontrolle verloren«, presste Deidre gedämpft hervor.
Lara schaute ihr in die Augen. »Ich war dabei. Sie hat die Kontrolle verloren. Katie betete mit großer Inbrunst, da rutschte ihr ungewollt die Bibel aus der Hand. Julia war auch dabei. Ich nehme an, sie ist derselben Meinung.«
»Ich denke, Katie hat die Kontrolle verloren«, bestätigte ich. Lara nahm den Eisbeutel fort. Wow! Deidre würde einen großen blauen Fleck bekommen.
»Verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will?«, fragte Lara.
Deidres blutendes Gesicht verzog sich vor Wut. »Ich hab gedacht, Sie wären die Frau vom Pfarrer!«
»Das bin ich auch, und ich werde für Sie beten, Deidre. Damit Sie einsehen, dass die Geschworenen keinerlei Verständnis für Sie aufbringen werden.« Lara ließ den Eisbeutel los und faltete die Hände, als würde sie beten. »Ganz im Gegenteil. Sie
werden Sie hassen. Aus ganzem Herzen. Und Sie können sicher sein, dass Katies vom Gericht bestellter Anwalt hauptsächlich übergewichtige Frauen mittleren Alters zu Geschworenen beruft, die alleinstehend oder geschieden sind und nur mit Ach und Krach zurechtkommen. Frauen, deren nichtsnutziger Mann mit dem stadtbekannten Flittchen durchgebrannt ist. Die werden bei Katie auf nicht schuldig befinden.«
Ich sah, dass Deidre widersprechen wollte, aber sie war nicht so dumm, als dass sie Laras Argumentation nicht verstanden hätte. »Soll ich Ihnen noch einen Eisbeutel holen, bevor Sie gehen?«, fragte Lara in aller Freundlichkeit.
Deidre nickte, nahm den Eisbeutel und ging. Linda begleitete sie. Eine der Zwillingsschwestern rief den beiden nach: »Der Teufel hat’s auf Ihren Hintern abgesehen, Deidre! Aufpassen!«
»Aufpassen!«, wiederholte ihre Schwester.
»Ich werde für sie beten«, sagte Lara. »Ich werde beten, dass J. D. zu ihr geht und sie ihn bei sich aufnimmt.« Katie saß im Nebenzimmer und sah sich eine Fernsehserie an. Die anderen Frauen lauschten Laras liebevollem Gebet über Vergebung und Reue.
Damit war die Sache erledigt gewesen. Deidre verließ die Stadt. Es gab keine Anzeige, und der Polizeichef sagte im Spaß zu Katie, sie solle sich vielleicht der örtlichen Softballmannschaft anschließen.
Katies wehmütige Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. »Es war so friedlich ohne ihn, Julia.« Sie schniefte. »Nur die Kinder und ich. Wir sind aufgestanden, ich habe jeden Einzelnen fertig gemacht. Dann habe ich die Kinder in die Schule und zum Babysitter gebracht, bin Putzen gegangen, habe alle wieder abgeholt und bin nach Hause gefahren. Da war keiner, der betrunken nach dem Essen schrie, kaum dass ich durch die Tür war, und keiner hat die Kinder oder mich dumm angemacht.«
»Katie«, sagte ich. Ohne es zu merken, war sie langsamer
geworden, sodass wir auf der Bergstraße von anderen Autos überholt
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