Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
Vom Netzwerk:
Beschützens. Ich ließ den Scheck auf dem Küchenschrank liegen und drohte, Stash zu erzählen, dass sie im Traum letztens seinen Namen gerufen hatte.
    »Du bist eine richtige Nervensäge, Julia«, sagte Lydia und nahm mich in den Arm. Ich drückte sie, dankbar, dass sie immer gleich roch, wie lange ich auch fort war. Nach Vanille und Lavendel. »Ich brauche das Geld nicht.«
    »Und ich kann das Schuldgefühl nicht gebrauchen, wenn du es nicht nimmst, also bitte, Tante Lydia, nimm es.«
    Sie umarmte mich fester. »Die Ehrlichkeit hast du von deinem Urgroßonkel Ace geerbt. Jeder in der Stadt wusste: Wenn man Ace einen Dollar gab, bekam man ihn zurück. Immer. Ohne Ausnahme. Er baute Rüben an und besiegelte jedes Geschäft mit einem Handschlag. Wurde einhundertsechs Jahre alt. Rüben sind gut für dich, mein Mädchen, vergiss das nicht. Deine kleine Blume wird dich dafür lieben.«
    Und so kam ich mir vergleichsweise wohlhabend vor, als ich mit Caroline zu Goodwill fuhr. Ihr altes Auto stotterte, ratterte und klapperte, aber ansonsten verlief die Fahrt reibungslos. Wir legten eine CD ein und fielen in das Lied einer Countrysängerin ein. Es handelte davon, dass auch Mädchen lügen, weil sie es sich von den Profis abschauen: den Männern.
    Ich liebte dieses Lied. Caroline ebenfalls, und so sangen wir aus voller Kehle bei heruntergedrehten Fenstern, während die Sommersonne zu uns hineinschien.
    Da die Fahrt zum Goodwill ungefähr eine Stunde dauerte, hatten wir viel Zeit zum Singen.
    Als wir langsam heiser wurden, hielten wir an einem Geschäft und kauften etwas zu trinken. »Wie ist das eigentlich, wenn man in die Zukunft sehen kann?«, fragte ich Caroline, während ihr Wagen mit einem Rülpser und einem Geräusch, das wie ein Furz klang, wieder zum Leben erwachte.
    Lange antwortete Caroline nicht. Dann sagte sie: »Es ist furchtbar.«
    Ja. Das war wohl die richtige Beschreibung. Ich konnte mir nicht vorstellen, so eine Gabe zu haben, und vielleicht war »Gabe« nicht einmal das richtige Wort.
    Caroline umklammerte das Lenkrad fester, und ich wünschte, wir würden wieder das Lied über lügende Mädchen singen.
    »Ich sehe oft Geschehnisse aus der Zukunft, kann aber meistens nicht sagen, wo sie stattfinden. Manchmal lese ich es dann hinterher in der Zeitung und fühle mich so unfähig, so hilflos. Wenn ich die Menschen doch nur warnen könnte, würden so viele Leben gerettet werden!«
    »Was siehst du denn alles?«
    Sie kniff die Lippen zusammen. »Ach, Julia, eigentlich versuche ich, nicht zu viel zu sehen. Ich mache jede Woche nach dem Essen mit euch auch diese Prophezeiungen, weil ich den Eindruck habe, wenn ich das regelmäßig tue, werde ich nicht so oft von unerwünschten Visionen überfallen. Wenn ich keinem die Zukunft vorhersage, so wie dir, Lydia, Katie und Lara, wenn ich nicht an unserem Treffen teilnehme, kann ich davon ausgehen, dass ich in der folgenden Woche mindestens zweioder dreimal etwas sehe.«
    »Sind das immer schlimme Sachen? Was du siehst, wenn du deine Gabe nicht oft genug angewandt hast?«
    »Nein, nicht immer. Manchmal sehe ich auch schöne Dinge. Ich sehe, wie ein Kind aus einem Fluss gerettet wird, es weint, aber es ist am Leben. Ich sehe, wie ein Mann aus der Narkose aufwacht und seine Frau vor Erleichterung weint. Oder wie jemand neben einem schlimmen Verkehrsunfall steht. Diese Erlebnisse rufen gewaltige Emotionen bei den Menschen hervor, deshalb nehme ich sie wohl wahr. Aber ich sehe deutlich mehr Negatives. Wahrscheinlich weil diese Gefühle so stark sind. Dann werden alle Gesetze der Zivilisation hinfällig und
Schmerz, Resignation, Kummer, Hass oder Gewalt freigesetzt. Solche Visionen habe ich viel öfter.«
    »Kennst du die Leute, die du siehst?«
    Caroline schwieg. »Ja, aber nur selten. Oft sehe ich, dass etwas in einem anderen Land geschieht. Ich sehe Chinesen oder Afrikaner oder eine Stadt, die im Süden liegt.«
    Der Wind spielte in meinem Haar, ich schob es nach hinten. »Was glaubst du, warum hast du diese Visionen? Warum gerade du?«
    »Meine Mutter kann manchmal Gedanken lesen. Meine Großmutter und deren Mutter konnten die Vergangenheit von Menschen sehen. Meine Großmutter hat mir erzählt, dass ich in meinen früheren Leben eine Landarbeiterin war, Dienerin in einem Schloss, ein Krieger, eine Hure, eine Fabrikarbeiterin, eine Frau der oberen Gesellschaft, eine Wahrsagerin, eine Hexe und eine Krankenschwester. Eine meiner Tanten kann Dinge bewegen, ohne sie

Weitere Kostenlose Bücher