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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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zurückzugeben.
    »Ist schon in Ordnung, Caroline. Du bist schließlich gefahren. Ich übernehme das.«
    Davon wollte sie nichts hören. »Auf gar keinen Fall! Nimm das Geld, das ich dir schulde, Julia, sonst bewege ich mich keinen Meter weiter.«
    Da ich am Abend einen Anruf von Dean erwartete, gefiel mir die Vorstellung gar nicht. Ich nahm das Geld. Wir gingen zum Auto, luden den Einkauf um, ließen aber die Sachen draußen, die wir essen wollten.
    Caroline schloss sich die Tür auf und las weiter in der Zeitschrift. Ich musste an die Fensterscheibe klopfen, damit sie mir aufmachte. Sie entschuldigte sich umständlich und las dann sofort weiter.
    Wir aßen schweigend. Als Caroline zu Ende gelesen hatte, legte sie die Zeitschrift auf den Sitz zwischen uns und schaute nach vorn. Ihre Augen zwinkerten nicht.
    »Caroline«, sagte ich. »Was ist los?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ihre kleinen Hände umklammerten das Lenkrad. »Nichts, Julia. Alles in Ordnung.«
    Aber das stimmte nicht. Das sah ich an ihrem blassen, angespannten Gesicht und ihren aufeinandergepressten Lippen.
    Ich schaute aus dem Fenster.
    Wir haben alle unsere Geheimnisse.
     
    Als wir nach Golden hineinfuhren, sprangen mir wieder die Zeichen des Verfalls ins Auge. Geschäfte waren pleitegegangen, die Räume standen leer, bei den übrigen lief es mehr schlecht als recht. Die Wirtschaft in Golden war tief gesunken. Sicher gab es noch einige, die Geld verdienten, Stash zum Beispiel. Sein Handel mit organischen Lebensmitteln wuchs beständig. Auch Dean, der Vieh verkaufte, ging es gut. Aber die beiden hatten nicht genug Arbeitsplätze für alle.
    Überall sah man, dass die Stadt im Niedergang begriffen war: leerstehende Geschäfte, Schlaglöcher in den Straßen. Im vergangenen Jahr war eine Kommunalanleihe geplatzt, mit der die Schulen hätten renoviert werden sollen. Die kleine Polizeiwache und die Feuerwehr waren von Kürzungen betroffen. Viele Menschen waren entweder arbeitslos oder fuhren zum Arbeiten in andere Städte. Viele Einwohner waren fortgezogen.
    Auf der einen Seite war Golden für mich wie eine Oase. Ein Ort, an dem ich mich zu Hause fühlte, zum ersten Mal in meinem Leben. Andererseits war es eine sterbende Gemeinschaft, eine welkende Geranie, die einmal geblüht hatte, aber jetzt beschnitten werden musste, damit neue Blüten nachwachsen konnten.
    Das machte mich sehr traurig. Wegen der Menschen wie Tante Lydia und Stash, die seit Jahren am Rande dieser Stadt lebten. Wegen der Menschen wie Katie, deren Existenz davon abhing, dass sie Leute fand, die genug Geld hatten, um sich von ihr das Haus putzen zu lassen. Wegen Laras Mann Jerry, der gerne eine Gemeinde aufbauen wollte, für die ihm jedoch die notwendigen Mitglieder fehlten.
    Aber was konnte ich daran ändern?
    Kurz verwirrte mich der Gedanke. Ich musste ihn mir länger durch den Kopf gehen lassen. Ich? Konnte ich Golden helfen? Aber wie? Es schien mir unmöglich.
    Ich hatte nie mehr gewollt als überleben. Überleben, ohne in die asoziale Wohnwagenwelt meiner Kindheit zurückkehren zu müssen. Nicht zulassen, dass die Erinnerung an die Freunde meiner Mutter und an die völlige Gleichgültigkeit meiner Mutter mich verschlang. Roberts Schikanen zu überstehen, hatte meinem Überlebenskampf eine neue Qualität gegeben. Mich aus der Hölle herauszukämpfen, hatte all meine Energie verbraucht.
    Der Gedanke, jemand anders oder etwas anderes zu retten, war mir noch nie gekommen. Sehr egoistisch, aber nicht zu ändern.
    Ich schaute aus dem Fenster. Die Landschaft war wunderschön: wogende Ebenen, Berge, Äcker, der Fluss. Herrlich. Doch selbst eine herrliche Gegend brauchte Arbeit.
    Am liebsten hätte ich jetzt meine Schokolade gegessen. Und zwar eine Menge.
    Was konnte ich für Golden tun, ich? Eine schwerfällige Zeitungsausträgerin, eine Märchentante, eine Eiersammlerin, die damit rechnete, dass jeden Moment ihr ehemaliger Verlobter auftauchen würde, und die eher früher als später an der Angstkrankheit sterben würde?
    Ich brauchte jetzt sofort Schokolade.
     
    Wodurch an jenem Abend die Angstkrankheit ausgelöst wurde, weiß ich nicht. Ich hatte alle Vögel nach ihrem Ausflug in die Käfige zurückgescheucht und saß auf Tante Lydias Veranda in einem der sechs Schaukelstühle. Es war kühl, aber nicht zu kalt. Ein Auto fuhr vorbei. Kurz bekam ich Panik, glaubte, es sei Robert. Aber dann hörte ich Johlen und Gebrüll und sah Jugendliche, die im Wagen herumalberten. Ich atmete aus.
    Und

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