Spiel mir das Lied vom Glück
über Hühner und Hähne vor. Aus einem Sachbuch und zwei Romanen. Tante Lydia
war dabei und brachte zwei Hühner und einen Hahn mit. Die Hühner trugen mit ihrem Geglucke zum Erfolg der Lesestunde bei. Um ihnen in nichts nachzustehen, krähte der Hahn sein Kikeriki. Nicht einmal, sondern unaufhörlich. Die Stunde war ein großer Erfolg. Die Kinder hatten ihren Spaß, als die Hühner auf den Teppich kackten. Die Veranstaltung dauerte fast zwei Stunden.
Ein anderes Mal las ich eine Geschichte über einen riesigen, zuckergefüllten Schokoladenkeks vor, der so groß wurde, dass die ganze Stadt von ihm essen konnte. Ich machte eine Kochstunde und zeigte den Kindern, wie man Kekse mit Mint-Schokoladenstückchen backte. Am Ende verteilte ich die Plätzchen. Fast jede Mutter wollte das Rezept haben, die anderen wollten mir eine Tüte voll abkaufen.
Ich erzählte, dass ich meine Schokoladenkreationen, auch die Plätzchen, auf dem Stadtfest verkaufen würde.
Bei einer anderen Lesestunde lud ich Stash ein, der in Overall und kariertem Hemd auftrat. Er las aus zwei Büchern über Farmen. Dann erzählte er Geschichten über die Tiere auf seinem Hof: über die Katze, die beim Schlafen immer alle viere von sich streckte, über die Kuh, die ihm immer quer durchs Gesicht leckte, und über die seltsamen Gänse, die alljährlich zu seinem Teich kamen und ihm nachliefen.
Eines Tages kam Ms. Cutter in unsere Ecke marschiert. Wir hatten während der Lesestunde einen bejubelten Umzug veranstaltet. Ich merkte, wie Shawn und Carrie Lynn erstarrten. Auch ich wurde steif und stellte mich auf einen schneidenden, kühlen Kommentar ein, wie laut die Lesestunde geworden sei und dass die Horden von Kindern die heilige Ruhe der Bücherei störten.
»Ms. Bennett«, sagte sie und nestelte an der Brille herum, die auf ihrer dürren Brust ruhte. »Ich möchte mit Ihnen über den Umzug sprechen, den Sie hier heute mit den Kindern veranstaltet haben. Wir haben erwachsene Gäste in dieser Bibliothek,
denen es nicht gefällt, wenn die ganzen Kinder mit den albernen Zeitungen auf dem Kopf und mit Instrumenten hier herumlaufen.«
Ich stöhnte. Das stimmte natürlich nicht. Neunzig Prozent der Erwachsenen, die sich zu dem Zeitpunkt in der Bücherei aufgehalten hatten, waren die Eltern oder Großeltern der fünfzig zur Lesestunde erschienenen Kinder. Die meisten von ihnen hatten ebenfalls »alberne Zeitungen auf dem Kopf« gehabt und waren mit den Kindern umhermarschiert. Die anderen Besucher, hauptsächlich Senioren, hatten entlang der »Umzugsroute« gestanden und die Teilnehmer beklatscht. Es war ein schöner Moment gewesen.
»Die Bibliothek ist ein heiliger Ort. Ein Ort des Lernens, des Wissens und des Weiterbildens. Hier wird kein Trara veranstaltet.«
»Ms. Cutter, ich weiß Ihre Sorge zu schätzen«, sagte ich und streckte das Kinn vor. Nicht weil ich besonders mutig gewesen wäre, sondern weil ich wusste, dass die stellvertretende Leiterin des Verwaltungsrats, die mit der Hälfte der übrigen Mitglieder verwandt war, mit ihren Enkeln nun schon seit Wochen zur Lesestunde kam und es ganz wunderbar fand. »Aber die Lesestunde findet nur einmal täglich statt, lediglich eine Stunde lang –«
»Ich muss wohl sehr bitten!« Ms. Cutters Stimme durchschnitt meinen Satz wie ein heißes Messer die Butter. »Diese Lesestunde läuft Ihnen aus der Hand! Inzwischen dauert sie schon fast zwei Stunden! Zwei Stunden lang Lärm und Geschrei und überall Kinder!«
»Aber so ist eine Lesestunde mit Kindern nun mal«, sagte ich ruhig. »Sie kommen her, um zu lesen, zu lernen, zu spielen –«
»Um zu spielen?« Ihr Tonfall verriet mir, dass ich in ihren Augen nicht mehr war als eine halbzertretene Schnecke. »In einer Bibliothek wird nicht gespielt!«
»Aber in einer Bibliothek soll man lernen, Bücher zu lieben … «
»Ihre Überheblichkeit kennt keine Grenzen, was, Ms. Bennett? Sie wollen alle anderen Benutzer aus dieser Bibliothek hinausekeln … «
»Ihre Brosche ist schön.«
Die leise Stimme der immer so stillen Carrie Lynn ließ Ms. Cutter und mich innehalten.
»W … was?« Ms. Cutter beugte sich zu ihr hinunter. »Was hast du gerade gesagt, kleines Fräulein?« Sie hatte eine einschüchternde, genervte Stimme, wie Erwachsene sie manchmal Kindern gegenüber aufsetzten.
Carrie Lynn machte ein erschrockenes Gesicht und rang ihre kleinen Hände. »Ich –« Sie schluckte, schaute Ms. Cutter an, wandte den Blick ab. Dann lehnte sie sich gegen mich.
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