Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel mit dem Feuer

Spiel mit dem Feuer

Titel: Spiel mit dem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
vergammelter Fisch und Exkremente, vermutlich menschliche.
Ich zog ein Papiertaschentuch aus meiner Hemdtasche und hielt es mir vor die
Nase, um nicht zu würgen.
    Aus der halb zusammengebrochenen Mühle
drangen Stimmen — das tiefe Brummeln von mindestens zwei Männern und das hohe,
energische Dozieren einer Frau. Dank des seltsamen akustischen Effekts der
schiefen Wände bekam ich zwar den Tonfall mit, nicht aber die Worte.
    Die emotional geladene Atmosphäre im
Innern der Mühle teilte sich rasch mit: Die Männer klangen aggressiv und
erregt, die Frau spöttisch und beharrlich. Als sie redete, verstummten die
anderen. Sie sprach ein paar Minuten und endete mit einem Crescendo der
Verachtung. Zuerst herrschte Stille, doch dann sagte einer der Männer etwas
Einlenkendes. Die anderen murmelten, offenkundig geschlagen.
    Dann ein Ausbruch von Aktivität:
Schritte, Rumpeln, Scharren. Die Bewegung spiegelte sich in dem Feuerschein,
den die gewellte Innenfläche des schräg stehenden Dachs reflektierte. Ich
blieb, wo ich war, und rührte mich nicht; als ein Moskito seinen Stechrüssel in
meine Schulter bohrte, biss ich die Zähne zusammen und zuckte vergebens mit dem
Arm, um einen zweiten abzuwehren. Ein paar Minuten darauf schlüpfte eine
Gestalt durch eine Lücke zwischen Front- und Seitenwand. Mann? Frau? Nicht zu
sagen. Glennas Fernglas hing um meinen Hals, also hob ich es an die Augen, aber
das Dunkel war zu dicht, und ich sah nur verschwommene Schatten. Ich versuchte
es gar nicht erst mit der Schärferegulierung, sondern ließ das Glas sinken und
starrte angestrengt dorthin, wo jetzt vier weitere Gestalten auftauchten. Eine
wurde von zwei anderen aufrecht gehalten — betrunken vermutlich.
    Ich erwartete, dass die Leute zu der Limousine
gehen und wegfahren würden, aber statt dessen gingen sie um die Mühle herum und
verschwanden im Dunkel, wobei die betrunkene Person und ihre Helfer die Nachhut
bildeten. Die kleine Prozession war vielleicht zwanzig Meter vor mir, und ich
konnte jetzt verstehen, was gesprochen wurde.
    Eine Männerstimme: »Verdammich, Amy!
Warum muss’n das sein?«
    »Das haben wir doch gerade
durchgekaut.«
    Ein weiterer Mann: »Was bringt’n das
jetzt?«
    »Für die eigenen Überzeugungen sollte
man jederzeit einstehen. Darum geht es uns doch.«
    Danach war Stille. Sie erklommen einen
Hang, der mit niedrigem Gestrüpp bewachsen war. Oben blieben sie stehen,
Silhouetten vor dem Mondlicht: vier Männer in Jeans und T-Shirts und die Frau,
die sie Amy nannten, gesichtslos und in einem weiten Gewand, das im Wind
flatterte. Das Brandungsgeräusch war jetzt lauter.
    Ich schlich mich so nah wie möglich
heran und kauerte mich hinter einen duftenden Strauch.
    Einer der Männer sagte: »Ist doch
Zeitverschwendung, Amy. Wir sitzen in der Patsche.«
    »Die Götter werden uns schützen.«
    »Quatsch!«
    »Ruhe! Das hier ist heiliger Boden. Wir
fangen jetzt an.« Schweigen. Der Betrunkene schwankte zwischen seinen Helfern.
Von ihm konnte ich wenig erkennen, nur einen silbernen Ohrring in der Form
eines Krummsäbels, der ihm fast bis auf die Schulter herabbaumelte und im
Mondschein glitzerte.
    Amy sagte: »Buzzy?«
    Einer der Männer räusperte sich und
begann einen melodiösen Sprechgesang in einer Sprache, die ich für Hawaiianisch
hielt. Daraufhin traten die anderen näher heran und bildeten einen kleinen
Kreis. Während sich die fremdartigen Laute auf- und abschwangen, bewegten sich
die Schatten der Bäume ringsherum auf gespenstische Weise. Ein Windstoß fuhr in
Amis Gewand und bauschte es, so dass sie aussah wie ein riesiger schwarzer
Vogel. Und plötzlich waren sie für mich nicht mehr eine Horde debattierender,
zerlumpter Hausbesetzer, sondern eine Versammlung von Ureinwohnern, die ihre
magischen Rituale abhielten. Trotz der lauen Nacht bekam ich eine Gänsehaut,
als sich der Sprechgesang zu einem Höhepunkt steigerte und dann jäh abbrach.
    Die Gruppenmitglieder blieben im Kreis
stehen, die Köpfe gesenkt. Schließlich sagte Amy: »Ahi wela maka’u. Wir
alle befinden uns in der Schwebe zwischen der Liebe zum Feuer und der Angst vor
dem Feuer. Wer einem der beiden Extreme zu nahe kommt, der wird verbrennen.«
    Dann wandten sich alle, wie nach einer
Choreographie, um und verschwanden über die Hangkuppe. Ich wartete kurz,
huschte dann ebenfalls dort hinauf, warf mich flach auf den Boden und spähte
hinter ihnen her. Das Terrain fiel steil ab und endete an einer Klippe. Die
Gestalten wandten sich vom

Weitere Kostenlose Bücher