Spiel mit dem Feuer
machen,
wenn er’s wollte? Ich spürte einen Anflug von Neid, weil ich auch gern geflogen
wäre.
Er betrachtete mich wieder mit dieser
unbewegten, nachdenklichen Miene. »Was ist?«, fragte ich unwirsch.
»Nichts. Jedenfalls nichts, was nicht
bis später Zeit hat.«
Auf dem Weg zu Sue Kamuela sah ich mir
den Ort Waipuna genauer an. Die meisten Gebäude, auch die Kirche, waren
heruntergekommen, aber das machte einen Teil ihres Charmes aus. Die Geschäfte
am Highway waren bunt zusammengewürfelt, mit einem deutlich alternativen Touch —
New Age mit einer Prise Sixties.
Neben Geschäften, die Lebensnotwendiges
feilboten, gab es da Läden für Kristalle und Duftöle, Perlen und handgetauchte
Kerzen, Selbsthilfeliteratur und — kassetten, Körbe und Windharfen, Naturkost
und Vitamine. Eine große Biogärtnerei okkupierte eine ganze Ecke. Ein
verwittert-grüner Shoppingkomplex, mit Spiel- und Picknickplatz im Innenhof,
beherbergte genügend Therapeuten — holistische Heilverfahren, Aroma-, Hydro-,
Massagetherapie — , um allen erdenklichen Beschwerden zu begegnen. Etwas namens
Ergomania stach mir ins Auge, aber ich befand, dass das Leben zu kurz war, um
dem nachzugehen.
Sue Kamuelas Laden, KauaiStyle, lag im
Obergeschoss des Komplexes, an einer Galerie zum Innenhof. Sonne fiel durch
drei Oberlichter und unterstrich die leuchtenden Farben der Kleidungsstücke,
die kopflose Schaufensterpuppen inmitten gepolsterter Korbmöbel präsentierten.
Als ich eintrat, war niemand da. Ich rief nach Sue, und sie antwortete durch
einen Türvorhang in der Rückwand des Raums.
»Komme sofort, Sharon. Nehmen Sie
Platz.«
Ich wählte einen Sessel neben einer
Puppe, die in Lagen von Petrol, Lila und Gold gehüllt war. Eine halbe Minute
später stieß Sue zu mir. Ihre Wange war verbunden, Stirn und Kinn wiesen
kleinere Schrammen auf.
»Wie geht’s?«, fragte ich.
»Es geht. Ich sehe schrecklich aus,
aber diese kleinen Kratzer hier« — sie deutete auf ihre Stirn — »werden nicht
mal Narben hinterlassen. Der tiefe Schnitt muß von einem plastischen Chirurgen
nachbehandelt werden, aber ich werde das zum Anlass nehmen, mir die Augen
korrigieren zu lassen, weil unsere Krankenversicherung den
Krankenhausaufenthalt bezahlt. Da habe ich noch Glück gehabt.«
»Es hätte schlimmer ausgehen können,
deshalb bin ich auch hier. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Ich zog die Bluse,
die ich in der Zuckermühle gefunden hatte, aus einer Stofftasche und hielt sie
ihr hin. »Haben Sie die gemacht?«
Sie drehte und wendete die Bluse,
befühlte den Stoff, inspizierte die Nähte. »Sie sieht fast aus, als ob sie von
mir sein könnte, ist es aber nicht. Sie stammt vermutlich vom Markt in Kapaa,
dort verkaufen sie jede Menge billige Imitate. Hat das Ding was mit diesem
Schuss zu tun?«
»Möglich.« Ich packte die Bluse in die
Tasche zurück. »Sie könnte einer gewissen Amy Laurentz gehören. Sagt Ihnen der
Name was?«
»Amy, die verrückte Haole? Klar. Sie
ist eine moderne Nomadin. Sucht sich irgendeinen Ort, den sie interessant
findet, bleibt, bis sie möglichst viel herausgequetscht hat, zieht dann weiter.
Sie kennen doch diesen Typ: im einen Jahr ist es Montana, im nächsten Taos,
dann Big Sur, die Nordküste von Oahu und schließlich Kauai. Jedenfalls war das
Amys Weg.«
»Klingt, als ob Sie sie ziemlich gut
kennen.«
»Besser, als mir lieb ist. Früher, als
sie noch einigermaßen normal war, hat sie hier in Waipuna mit dem Vetter meines
Mannes zusammengelebt und für einen hiesigen Großdealer Drogen verscherbelt.
Sie hat einen Narren an der hawaiianischen Kultur gefressen, ein paar Bücher
gelesen, und plötzlich war sie die große Expertin für unser Volk. Daraufhin
fing sie an, Leserbriefe an Garden Island und unser Anzeigenmagazin zu
schreiben.«
»Leserbriefe wozu?«
»Umweltschutz. Autonomie für die Hawaiianer.
Anfangs war an diesen Briefen ja noch was dran, aber dann wurden sie immer
schwafeliger. Wahrscheinlich hat sie einiges von dem Zeug, das sie verkauft
hat, selbst genommen. Garden Island hat irgendwann ihre Ergüsse nicht
mehr veröffentlicht, und selbst das Anzeigenmagazin hat die meisten ihrer
Briefe ignoriert. Amy war frustriert und fing an, von einer Versammlung zur
anderen zu ziehen.«
»Was für Versammlungen?«
»Von diesen Leuten, die wollen, dass
Hawaii aus der Union austritt. Dort hat sie dann Buzzy Malakaua getroffen. Der
ist ein beschränkter, kleiner Ganove. Gibt sich als Kämpfer für die Rechte
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