Spiel mit dem Feuer
hatte. Aber
wie sollte ich erklären, dass ich so lange gewartet hatte? Als
Privatermittlerin ohne Lizenz für diesen Bundesstaat war ich in einer ganz
schön wackligen Position, auch mit RKI im Rücken. Vielleicht wäre es besser,
einen anonymen Anruf —
Stimmen draußen. Ich ging auf den Lanai, sah Glenna und Peter die Zufahrt entlangkommen. Sie schienen heftig zu
debattieren, und als sie mich sahen, verstummten sie. Ich winkte und ging nach
drinnen, um mein Glas aufzufüllen, zögerte kurz und fragte mich, ob das so
weise war, und sagte dann: »Ach, zum Teufel«, und goss mir großzügig nach.
Sie kamen beide herein, und Peter
strebte ebenfalls in Richtung Ginflasche. »Herrgott, was für ein Tag!«
Ich nickte. »Ganz schön
überraschungsgeladen.«
»Haben Sie aus Russ rausgekriegt, was
dieses Vermächtnis soll?«
»Nein.« Ich wollte über gar nichts
reden, was auch nur entfernt mit Tanner zu tun hatte.
Glenna setzte sich auf einen der
Hocker. »Wo ist Hy?«
Noch so ein Thema, das ich lieber
vermeiden wollte. »Er musste geschäftlich nach Honolulu.«
Meine Antwort klang sehr knapp; Glenna
zog die Augenbrauen hoch.
Ich ignorierte die stumme Frage. »Glenna,
ich muss morgen früh mit Ihnen reden, und ich brauche Kopien von Elsons
Tagebuch und auch von dem Manuskript, auf dem der Film basieren sollte.«
»Im Bearbeitungsraum liegen ein paar
Kopien.«
»Danke.«
»Wegen der Kamera —«
»Glenna, es ist spät, ich bin müde, und
Sie sind es sicher auch.«
»Weiß Gott«, sagte Peter. »Diese
Familie... Ich habe fast die ganze letzte Stunde mit dem Versuch verbracht, sie
von dem Thema Finanzen wegzukriegen und dazu zu bringen, Mutters Beerdigung zu
planen.«
»Immerhin begräbt Ihre Familie ihre
Toten.« Ich dachte wieder an Grandpas Asche in dem Kleiderschrank.
Sie sahen mich beide an, als hätte ich
etwas äußerst Bizarres gesagt, und das hatte ich wohl auch. Ich gab ihnen
trotzdem keine Erklärung.
Mir ging plötzlich auf, dass ich wohl
unter anderem deshalb so gereizt auf die Wellbrights reagierte, weil sie
genauso ein schwieriger Haufen waren wie meine eigene Familie — ungefähr so,
wie die McCones gewesen wären, hätten sie Geld gehabt. Ich war immer davon
ausgegangen, dass wir uns alle mochten, aber wenn ich an unser letztes
Familientreffen zurückdachte, zweifelte ich selbst an dieser grundlegenden
Prämisse.
Es war Mas und Pas letzter Hochzeitstag
gewesen — bevor Ma die Scheidung eingereicht und sich mit dem Mann
zusammengetan hatte, dem die Waschsalonkette gehörte, bei der sie Kundin war.
Ehe Pa erklärt hatte, mit dem Mistkerl, der ihm seine Frau gestohlen hatte,
werde er sich niemals in einem Raum aufhalten. Schon damals hatten sie sich
nicht gerade wie ein Musterbeispiel ehelichen Glücks verhalten. Er hatte keine
Tust gehabt, für die Party, die wir ihnen zu Ehren veranstalteten, aus seiner
Garagenwerkstatt herauszukommen, und ihr hatte es nicht gepasst, aus ihrer
Küche verbannt zu sein.
Andererseits waren meine Schwester
Patsy und ihr Mann, die sich erboten hatten, das Essen zuzubereiten, gar nicht
glücklich damit gewesen, in der Küche eingesperrt zu sein. Sie besaßen ein
Restaurant und hatten erst zu spät gemerkt, dass sie sich vom Regen in die
Traufe begeben hatten. Patsys drei Kinder hassten die Little Savages, Rickys
Brut. Die Little Savages verbündeten sich gegen Johns Söhne, die wiederum über
Patsys Sprösslinge herfielen, sie in den Canyon hinterm Haus schleppten und an
einen Baum banden. Charlene und Ricky kamen wie üblich nicht miteinander aus.
John hatte sich gerade von seiner Freundin getrennt und kam mit gar niemandem
aus. Wir alle waren sauer auf Joey, der nicht erschienen war und noch nicht mal
eine Karte geschickt hatte. Und ich, die ich bei Familientreffen dazu neigte, zu
tief ins Glas zu gucken, saß am Ende sternhagelvoll oben im Baumhaus und sang
mit Pa um drei Uhr nachts unanständige Lieder.
Familien!
Die Erinnerung an den monumentalen
Kater, den ich damals davongetragen hatte, nahm mir die Lust auf noch mehr Gin.
Ich stellte mein Glas auf die Küchentheke, entschuldigte mich, ging nach
draußen und wanderte barfuß über das pieksige Gras zu der Bank, wo Hy und ich
an unserem ersten Abend hier mit Glenna gesessen hatten. Dort hockte ich, die
Beine unter dem langen Kleid angezogen, und betrachtete die Lichtbahn, die der
Mond aufs wellige Wasser goss. Ein Hubschrauber auf Nachtflug zog vorüber; ich
starrte auf die roten, grünen und weißen
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