Spiel mit dem Mörder
sah. Weshalb hatte Stiles nicht den Sichtschutz vorgezogen, dachte sie stirnrunzelnd.
Im Zimmer selbst herrschte ein wildes Durcheinander an Rot und Grün und Blau. Es gab eine breite, u-förmige Konversationskonsole und einen weißen Marmorpool, in dem eine Reihe fetter Goldfische gelangweilt zwischen Lilienblättern ihre Kreise zogen.
Ein kleiner Wald aus Zwergorangen- und Zitronenbäumen verströmte einen starken Duft, und der Boden war mit einem leuchtend bunten Mosaik gefliest, dessen Motiv, wenn man genauer hinsah, eine erotische Orgie nackter Leiber in fantasievollen Variationen des Geschlechtsakts war.
Eve schlenderte über blaue Brüste und blaue Schwänze zu Stiles, der in einem knöchellangen, safrangelben Morgenmantel in Positur gegangen war.
»Was für eine Wohnung.«
Als er sie lächelnd ansah, wirkten seine eigentlich eher schroffen Züge überraschend sanft. »Weshalb sollte man ohne Theatralik leben? Darf ich Ihnen etwas anbieten, bevor wir das Gespräch beginnen, Lieutenant?«
»Nein, danke.«
»Das ist dann erst mal alles, Walter.« Mit einer kurzen Handbewegung entließ er den Droiden und bot den beiden Frauen höflich zwei Plätze an. »Mir ist bewusst, dass das hier für Sie reine Routinearbeit ist, Lieutenant Dallas, ich aber bewege mich mit einem Mal auf einem völlig fremden und, wie ich zugeben muss, aufregenden Terrain.«
»Sie finden es also aufregend, dass vor Ihren Augen ein Kollege ermordert worden ist?«
»Nachdem ich den ersten Schock darüber überwunden hatte, ja. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er einen Mord aufregend und faszinierend findet, glauben Sie nicht auch? Weshalb sonst werden die Theater bereits seit Jahrtausenden mit diesem Thema derart gut gefüllt?« Seine dunkelbraunen Augen blitzten sie fast fröhlich an.
»Ich hätte mir für dieses Gespräch alle möglichen Masken aufsetzen können. Ich bin als Schauspieler sehr gut. Ich hätte so tun können, als wäre ich total niedergeschmettert, nervös, verängstigt, verwirrt oder zutiefst betroffen von dem, was vorgefallen ist. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste ist, wenn ich von Anfang an einfach völlig ehrlich bin.«
Sie dachte an Carly Landsdowne. »Das steckt offenbar an. Rekorder an, Peabody«, bat sie ihre Assistentin, nahm Stiles gegenüber Platz … und versank in einer Wolke weicher Kissen. Sie unterdrückte einen Fluch, kämpfte sich wieder in eine aufrechte Position, schob sich an den Rand der Couch und klärte Kenneth Stiles, nachdem sie ihr Gleichgewicht zurückgewonnen hatte, über seine Rechte und Pflichten auf.
»Haben Sie verstanden, Mr Stiles?«
»Natürlich.« Er verzog sein Gesicht zu diesem süßen Lächeln. »Dürfte ich mir die Bemerkung erlauben, dass Sie Ihren Text sehr überzeugend sprechen, Lieutenant?«
»Himmel, vielen Dank. Also: Wie sah Ihre Beziehung zu Richard Draco aus?«
»Wir waren Kollegen. Im Verlauf der Jahre haben wir ab und zu gemeinsam auf der Bühne gestanden, zuletzt in dem Stück, dessen ungewöhnliche Premiere gestern Abend stattfand.«
O ja , dachte Eve. Ihm macht diese Sache Spaß. Er nutzt die Gelegenheit zur Selbstdarstellung weidlich aus. »Und Ihre persönliche Beziehung?«
»Ich würde nicht behaupten, dass wir eine hatten, zumindest eine solche, wie Sie vermutlich meinen. Schauspieler …« Er wedelte mit der Hand und brachte dadurch sein vielfarbiges Steinarmband zum Klingeln. »… Schauspieler fühlen sich häufig voneinander angezogen, nach dem Motto: Gleich und Gleich gesellt sich gern. Wir heiraten einander mit geradezu betrüblicher Regelmäßigkeit. Diese Ehen halten meistens nicht sehr lange, und genau dasselbe gilt für die Freundschaften und anderen intimen Beziehungen, die es zwischen Beteiligten an einer Produktion immer wieder einmal gibt.«
»Aber Sie kannten ihn seit vielen Jahren.«
»Ich habe ihn gekannt, aber sagen wir es so: Wir standen einander nie besonders nah. Tatsache ist sogar …« Er legte eine dramatische Pause ein, und das Blitzen seiner Augen wirkte genauso unbeschwert und fröhlich wie das Klingeln seines Schmucks. »Ich habe ihn verabscheut. Habe ihn verachtet. Fand, dass er einer besonders niederen Gattung von Säugetieren angehört.«
»Gab es dafür einen bestimmten Grund?«
»Dafür gab es jede Menge Gründe.« Stiles beugte sich vertraulich vor. »Er war egoistisch, egozentrisch, unhöflich und arrogant. All diese Eigenschaften könnte ich verzeihen, ja vielleicht sogar bewundern,
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