Spiel mit dem Mörder
mir reicht Papier«, erklärte Linus grinsend, bevor er einen Schluckauf bekam.
»Natürlich. Also, schreib jetzt bitte auf: ›Ich war's.‹ Das ist alles, was du schreiben sollst. ›Ich war's.‹ Und dann unterschreib mit deinem Namen. Richtig. Genau so ist es richtig.«
»Ich war's.« Etwas krakelig schrieb er auch noch seinen Namen. »Ich habe herausgefunden, wer der Täter war.«
»Das hast du. Das war wirklich clever, Linus. Und, ist dir noch schwindlig?«
»Nein. Ich bin okay. Ich fühle mich gut. Haben Sie das Geld dabei? Ich fliege nach Tahiti. Sie haben allen einen Gefallen getan, indem Sie dieses fiese Schwein aus dem Verkehr gezogen haben.«
»Danke. Das finde ich auch. Und jetzt lass uns beide aufstehen. Geht's?«
»Bestens.«
»Gut. Würdest du mir einen Gefallen tun? Könntest du die Leiter da drüben raufklettern? Ich möchte, dass du dieses Ende des Seils über den Pfosten da oben hängst und festmachst. Schön stramm ziehen, wenn es geht. Niemand kann so gute Knoten machen wie ein erfahrener Inspizient.«
»Sicher.« Summend stieg Linus die Leiter hinauf.
Von unten blickte man ihm nach. Inzwischen waren die Furcht, Panik und Verzweiflung, die der Brief hervorgerufen hatte, einem Gefühl der Verärgerung und des Herausgefordert-worden-seins gewichen.
Wie ging man mit einem Erpresser um? Die Antwort war nicht schwer gefallen. Man musste sich seiner entledigen und zugleich der Polizei den Mörder präsentieren. Dadurch schlüge man zwei Fliegen mit einer Klappe, wie es so schön hieß.
In Sekunden, wenigen Sekunden, wäre es vorbei.
»Das Seil ist fest«, rief Linus von oben herunter. »Das geht nicht mehr ab.«
»Davon bin ich überzeugt. O nein, Linus, nicht klettern.«
Er blickte verwirrt hinunter in das lächelnde Gesicht. »Ich soll nicht wieder runterklettern?«
»Nein. Du sollst nicht klettern, sondern springen, Linus. Wäre das nicht toll? Genau, als ob du in das hübsche blaue Wasser auf Tahiti springst.«
»Wie auf Tahiti? Dorthin werde ich fliegen, sobald ich das Geld bekommen habe.«
»Ja, wie auf Tahiti.« Das Lachen, das von unten an seine Ohren drang, hatte einen fröhlichen, ermutigenden Klang. Ein aufmerksamer Hörer hätte möglicherweise eine leichte Anspannung vernommen, Linus aber fiel unbekümmert in das Lachen ein. »Komm schon, Linus. Spring! Das Wasser ist ganz herrlich.«
Grinsend hielt er sich die Nase zu. Und sprang.
Anders als beim letzten Mal kam der Tod nicht völlig lautlos. Linus strampelte panisch mit den Beinen und warf dadurch die Leiter krachend auf die Flasche mit dem selbstgebrannten Schnaps, die mit einem lauten Knall zerbarst. Ein Krächzen drang aus seiner Kehle, ging in ein leises Röcheln über, und selbst als es verstummte, hing das Echo dieses Röchelns wie ein gellender Schrei in dem meterhohen Raum.
Dann hörte man nur noch das Knirschen des hin und her schwingenden Seils. Es klang beinahe romantisch, wie das Knirschen eines Segelmasts auf hoher See.
8
» D r. Miras Täterprofil legt die Vermutung nahe, dass es einer der Schauspieler gewesen ist«, erklärte Eve. »Oder jemand, der Schauspieler werden wollte oder will.«
»Tja, das wäre also die jeweilige Erstbesetzung der verschiedenen Rollen.« Feeney streckte seine Beine aus. »Die Zweitbesetzung, die Komparsen, wodurch man insgesamt bereits auf über dreißig Leute kommt. Nimmt man dann noch die Möchtegern-Schauspieler dazu, hat man, weiß der Himmel, wie viele Personen, die man genauer unter die Lupe nehmen muss.«
»Wir teilen sie unter uns auf und gucken, welche der Personen von vornherein als Täter auszuschließen sind. Genauso macht es Baxter mit dem Publikum.«
Feeney grinste breit. »Wir haben sogar noch in unserer Abteilung mit anhören können, wie er gejammert hat.«
»Dann habe ich anscheinend genau den Richtigen für diese Arbeit ausgesucht«, erklärte Eve gelassen.
»Tja, wir sollten prüfen, welche Verbindung es zwischen den Leuten und dem Opfer gab und wer sich während des letzten Aktes wo aufgehalten hat. Dann laden wir die verbleibenden Verdächtigen hierher aufs Revier und fangen an, sie zu verhören.«
McNab rutschte auf seinem Stuhl herum und hob artig die Hand. »Es ist immer noch nicht völlig ausgeschlossen, dass der Täter jemand aus dem Publikum gewesen ist. Jemand, der Draco kannte und Erfahrung mit dem Theater hat. Selbst wenn Baxter und seine Leute vierundzwanzig Stunden täglich Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen und
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