Spiel mit dem Mörder
Richard gemacht. Ich glaube, sie hat gesagt, er hätte sie in den Hintern gekniffen oder so. Das hat sie geärgert, was angesichts der Behandlung, die er ihr hat angedeihen lassen, durchaus nachvollziehbar war.«
Immer noch saß sie kerzengerade in ihrem Sessel und musterte Eve reglos. »Ich habe kein besonderes Mitgefühl mit ihr, denn sie ist schlau genug, um zu wissen, was passiert, wenn sich eine junge Frau mit einem Kerl wie Richard einlässt. Ich glaube, etwas in der Richtung habe ich auch zu Kenneth gesagt, bevor ich die Treppe zum Balkon hinaufgegangen bin.«
»Dann haben Sie Kenneth also ebenfalls gesehen.«
»Ja, er lief hin und her und hat dabei irgendwas gemurmelt. Das macht er oft zwischen den Szenen. Ich habe keine Ahnung, ob er mich gehört oder wahrgenommen hat. Kenneth versucht immer, während einer Aufführung dem Charakter, den er darstellt, treu zu bleiben, und deshalb werde ich als Schwester Plimsoll meistens von ihm ignoriert.«
»Haben Sie sonst noch irgendwen gesehen?«
»Nun, ich … ja, Michael Proctor. Er stand in den Seitenkulissen. Ich bin mir sicher, er hat von dem Abend geträumt, an dem er selbst endlich die Chance bekommen würde, den Vole zu spielen. Nicht, dass ich nur eine Sekunde glauben würde, er hätte deshalb etwas mit Richards Tod zu tun. Er wirkt so völlig hilflos, finden Sie nicht auch? Wahrscheinlich macht dieses Metier ihn innerhalb weniger Monate kaputt.«
»Und Areena Mansfield. Haben Sie die ebenfalls gesehen?«
»Natürlich. Sie rannte in ihre Garderobe. Sie hatte einen vollständigen Kostüm- und Make-up-Wechsel zwischen diesen beiden Szenen. Sie ist regelrecht an mir vorbeigestürzt. Aber, ehrlich, Lieutenant, wenn Sie wissen wollen, wer zwischen den verschiedenen Szenen was gemacht hat, sollten Sie keinen von uns befragen, sondern Quim. Er ist der Inspizient, ein ungepflegter kleiner Mann mit einem verkniffenen Gesicht, dem nie etwas entgeht. Er weiß zuverlässig über alles Bescheid.«
»Ich kann ihn nicht mehr fragen«, erklärte Eve Eliza ruhig. »Linus Quim wurde heute Morgen erhängt unter der Bühne im Theater aufgefunden.«
Zum ersten Mal seit Eves Erscheinen bekam Elizas gelassene Fassade einen leichten Riss. Zitternd griff sie sich ans Herz. »Erhängt?« Ihre gut ausgebildete Stimme klang ein wenig heiser, als sie wiederholte: »Erhängt? Das muss ein Irrtum sein. Wer in aller Welt sollte einer harmlosen kleinen Kröte wie Quim etwas zuleide tun?«
»Es hat wie ein Selbstmord ausgesehen.«
»Unsinn.« Eliza stand auf. »Das ist totaler Unsinn. Man muss entweder sehr mutig oder aber sehr feige sein, um selbst sein Leben zu beenden. Er war keins von beidem. Er war nichts weiter als ein nervtötender kleiner Mann, der offenbar nie Spaß an seiner Arbeit hatte, obwohl er sie hervorragend gemacht hat. Wenn er tot ist, hat ihn jemand umgebracht. Damit wäre er der Zweite«, sagte sie wie zu sich selbst. »Zwei Tote in einem Theater. Tragödien kommen immer dreifach. Wer wird also der Nächste sein?«
Erschaudernd nahm sie wieder in ihrem Sessel Platz. »Jemand bringt uns nacheinander um.« Das lebhafte Interesse war aus ihrem Blick verschwunden, und ihre zuvor zu einem amüsierten Lächeln verzogenen Lippen bildeten einen schmalen Strich, als sie erklärte: »Es gibt noch ein anderes Stück von Agatha Christie, Lieutenant Dallas. Das letzte Wochenende. Zehn Menschen, die auf subtile Weise miteinander in Beziehung stehen, werden einer nach dem anderen ermordet. Ich habe nicht die Absicht, eine Rolle in dem Stück zu spielen. Sie müssen diesem Spuk ein Ende machen.«
»Genau das habe ich vor. Gibt es einen Grund, aus dem irgendjemand Ihnen Böses wollen könnte, Ms Rothchild?«
»Nein, keinen. Es gibt niemanden, der so verfeindet mit mir wäre, dass er sich eines Mordes bedienen würde, um mich los zu sein. Aber es wird trotzdem noch mindestens einen weiteren Toten geben. Wir Menschen vom Theater sind ein abergläubischer Haufen. Wenn es zwei Mordopfer gab, muss es ein drittes geben. Und es wird ein drittes geben«, wiederholte sie, »wenn Sie nichts dagegen tun.«
Sie zuckte zusammen, als es bei ihr klingelte und das fröhliche Gesicht der Dame vom Empfang auf dem Monitor der Gegensprechanlage erschien. »Ms Landsdowne ist hier, um Sie zu besuchen, Ms Rothchild. Soll ich sie heraufschicken?«
»Ich bin im Augenblick beschäftigt«, setzte Eliza an, doch Eve hob eine Hand.
»Bitte, lassen Sie sie raufkommen.«
»Ich …« Eliza betastete ihre
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