Spiel mit dem Mörder
endgültig gelöscht. Dass ihm das jedoch wahrscheinlich niemals vollständig gelingen würde, war ihm klar.
Seit Monaten war er versucht, der Sache nachzugehen, sämtliche Informationen über das tragische kleine Mädchen auszugraben, das vor vielen Jahren verletzt und total verstört in einer dunklen Gasse in Dallas aufgefunden worden war. Er hatte die Fähigkeiten und verfügte über die erforderliche Technik, um alles herauszufinden, was es da herauszufinden gab.
Er könnte die Leerstellen für sie füllen, und - wie er sich eingestand - ebenso für sich selbst.
Doch wäre dies der falsche Weg. Er kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er ihr mehr schaden als ihrer Gesundung dienen würde, gäbe er ihr Antworten auf Fragen, die zu stellen sie noch nicht bereit war.
Galt das nicht genauso für ihn? Als er im letzten Jahr nach langer Zeit nach Dublin zurückgekommen war, hatte er dort ein paar Stätten seiner Kindheit aufgesucht, sich jedoch mit einem Blick über die Oberfläche begnügt. Was hinter der Fassade lag, war dort begraben, und er hatte nicht daran gerührt.
Es war die Gegenwart, die seine gesamte Aufmerksamkeit verlangte. Grübeleien über die Vergangenheit brächten ihn nicht weiter. Egal, ob die Vergangenheit ihn selbst oder seine Ehefrau betraf.
Er sammelte die Disketten und die Ausdrucke, die er für seine Nachmittagstermine bräuchte, ein, stand auf und schaute zur Verbindungstür zwischen den beiden Büros. Er wollte sie noch einmal sehen, ehe er das Haus verließ.
Er öffnete die Tür, sah jedoch statt seiner Frau nur Ian McNab, der sich, während der Computer irgendwelche Informationen sammelte, einen ganzen Hamburger auf einmal in den Mund zu stopfen schien.
»Arbeiten Sie heute alleine?«
Der elektronische Ermittler fuhr zusammen, verschluckte sich an seinem Essen und fing derart heftig an zu husten, dass Roarke ihm auf den Rücken klopfen musste, damit er wieder Luft bekam.
»Es hilft, wenn man vorher kaut.«
»Ja. Danke. Äh … ich hatte keine Zeit fürs Frühstück, also dachte ich, es wäre sicherlich in Ordnung, wenn ich …«
»Mein AutoChef steht Ihnen stets zur Verfügung. Ich nehme an, der Lieutenant ist schon wieder unterwegs.«
»Ja. Sie ist vor zirka einer Stunde, mit Peabody im Schlepptau, los. Feeney ist zurück aufs Revier, um dort ein paar lose Fäden miteinander zu verbinden, und ich arbeite hier.« Er grinste, und zwei Reihen strahlend weißer Zähne blitzten auf. »Ich schätze, ich habe die beste Arbeit abgekriegt.«
»Dann hatten Sie ja Glück.« Roarke fischte sich aus dem Ketchupsee auf Ians Teller eine halbwegs trockene Fritte und schob sie sich, während er auf den Bildschirm spähte, nachdenklich in den Mund. »Sammeln Sie etwa schon wieder Hintergrundinformationen zu irgendwelchen Leuten?«
»Tja, nun.« McNab rollte mit den Augen. »Dallas hat die irre Vorstellung, dass es vielleicht irgendwann in der Vergangenheit eine Verbindung zwischen Draco und einem der anderen Schauspieler oder einer der Schauspielerinnen gab, die dieser beziehungsweise diese bis heute nicht überwunden hat. Ich für meinen Teil bin der festen Überzeugung, dass wir es längst rausgefunden hätten, wenn es etwas in der Richtung gäbe. Aber sie will, dass ich die Leute alle noch einmal überprüfe und dabei noch etwas tiefer stöbere als bisher. Und schließlich bin ich einzig hier, um zu tun, was sie befiehlt. Vor allem, wenn dafür echtes Rindfleisch auf der Speisekarte steht.«
»Hm, ich schätze, die Chancen, dass Sie etwas finden, stehen ziemlich schlecht.«
»Ach ja?«
»Sie sagen, dass es sich um eine alte Geschichte handeln muss, die, selbst wenn sie nach wie vor eine Rolle für den oder die Betroffene zu spielen scheint, offiziell längst begraben ist.« Roarke schob sich ein zweites Kartoffelstäbchen in den Mund. »Und etwas längst Begrabenes kann man nur ausbuddeln, indem man sich die Finger schmutzig macht.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Am besten guckt man sich in solchen Fällen beispielsweise Akten an, die unter Verschluss gehalten werden«, schlug er vergnügt feixend vor.
»Dazu bin ich nicht befugt. Man braucht einen ausreichenden Verdacht, eine richterliche Erlaubnis und all den anderen Quatsch.« Als Roarke nur lächelte, richtete sich McNab zu seiner ganzen Größe auf und blickte zur Tür. »Wenn es natürlich einen Weg gäbe, diese Dinge zu umgehen …«
»Den gibt es, Ian. Den gibt es ganz bestimmt.«
»Ja,
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