Spiel mit der Liebe
wahrhaftig war. Als Clay erst einmal begriffen hatte, wie viel Kassandra ihm bedeutete, hatte er gehofft, auch mit ihr eine solche Bindung aufbauen zu können. Jetzt fragte er sich, ob seine Gedanken dumm gewesen waren. Und während die Tage vergingen und er keine weitere Nachricht von ihr erhielt, wurde seine Bitterkeit immer größer.
Verdammt, sie war ihm wenigstens eine Erklärung schuldig.
Sechs Wochen später erhielt er einen Brief. Mit zitternden Fingern riss er ihn auf und hoffte, dass sie ihm schrieb, dass es ihr Leid tat, dass sie abgereist war, dass sie ihn vermisste und auf dem Weg nach Hause war.
Stattdessen war dieser Brief genauso kühl wie der letzte. Es ging ihr gut. Ihrer Cousine und deren Familie ging es gut. Das Wetter war warm. Sie zeichnete ein wenig. Sie war noch immer unsicher, wann sie zurückkommen würde.
Clay zerknüllte den Brief in der Faust, warf ihn weg und stürmte aus seinem Arbeitszimmer. Er machte sich nicht die Mühe, ihren Brief zu beantworten. An diesem Abend nahm er sich vor, sich so sehr zu betrinken, dass er umfallen würde. Vor seinem Club wurde er in einen Faustkampf verwickelt und kehrte nach Hause zurück mit aufgeschürften Fingerknöcheln und einem Herzen, das schlimmer schmerzte als zuvor.
Er hatte nicht gewusst, dass er sie liebte.
Er hatte nicht begriffen, dass er ihr vollkommen, wild und lächerlich, Hals über Kopf verfallen war, und er hasste sich selbst dafür.
Und ganz langsam verging ein Tag nach dem anderen, und Clay begann, Kitt noch mehr zu hassen als sich selbst.
21
Kitt saß auf der Veranda, ihr Skizzenblock lag offen in ihrem Schoß. Von der Villa ihrer Cousine aus hatte sie eine herrliche Aussicht auf die kleine Stadt Ostia, den nächsten Seehafen von Rom. Von der Stelle, wo sie unter einem großen, gelb gestreiften Sonnenschirm saß, erstreckte sich das Tyrrhenische Meer mit meilenweiten Sandstränden. Ein kühler Wind zerrte an ihrem Haar und wehte es ihr aus dem Gesicht.
»Kassandra - da bist du ja. Ich habe mich schon gefragt, wo ich dich wohl finden würde.«
Kitt wandte sich um und entdeckte ihre Cousine, die auf sie zukam. Emily Wentworth Wilder, Lady St. Denise, trug ein kühles weißes Musselinkleid mit blassblauen Seidenbändern verziert. Sie war beinahe genauso groß wie Kitt, doch ihre Gestalt war zierlicher, ihre Haut blasser und ihr Haar von einem tiefen Haselnussbraun.
Emilys Mann, Preston Wilder, Baron St. Denise, hatte einen Posten als Berater der britischen Botschaft in Rom angenommen. Seine Mutter war Italienerin. Pres hatte einen großen Teil seines Lebens in Italien zugebracht und sprach die Sprache fließend. Mittlerweile taten das auch Emily und alle drei Kinder.
Kitt lächelte ihre Cousine an, die sie liebte wie eine ältere Schwester. »Es ist ein so wundervoller Tag. Ich konnte es im Haus nicht länger aushalten. Ich dachte, ich setze mich ein wenig nach draußen und zeichne.«
Emily blickte auf ihren offenen Skizzenblock und sah die eigenartigen kleinen Kritzeleien, die alles waren, was Kitt zu Stande gebracht hatte, dann zog sie die Stirn in Falten. »Wie ich sehe, hast du nicht zu Ende gezeichnet.«
Kitt runzelte nur die Stirn.
Emily setzte sich auf den Stuhl neben ihr. »Ich mache mir Sorgen um dich, Kassandra. Du bist jetzt schon mehr als einen Monat hier, und noch immer scheinst du nicht du selbst zu sein. Du lächelst und unterhältst dich, aber du scheinst nie das zu sagen, was du denkst. Du tust so, als würdest du zeichnen, aber du schaffst in Wirklichkeit gar nichts. Das sieht dir so gar nicht ähnlich, Liebes.«
Emily griff nach Kitts Hand, der Handrücken von Kitt war voller Sommersprossen, weil sie nur sehr selten Handschuhe trug. »Ich hatte gehofft, dass du mir mit der Zeit verraten würdest, was mit dir los ist, aber das hast du nicht getan. Ich bin deine Freundin, das weißt du doch. Warum sagst du mir nicht, was los ist?«
Es war das erste Mal, dass Emily sie wirklich bedrängte. Bis jetzt hatte ihre Cousine offensichtlich gehofft, dass Kitt die Dinge allein wieder zurechtrücken würde. Kitt hatte gehofft, ihr gebrochenes Herz vor ihr zu verbergen, doch es war offensichtlich, dass ihr das nicht gelungen war.
Sie holte tief Luft, ließ sie langsam wieder entweichen, versuchte, sich zu einem Lächeln zu zwingen, doch das gelang ihr nicht. »Eigentlich ist alles ganz einfach. Ich habe den falschen Mann geheiratet.«
Emily hob die blasse Hand an den Hals. »Oh, mein liebes Mädchen. Das ist
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