Spiel ohne Regeln (German Edition)
Päckchen, die auf dem Tisch lagen, und begann, sie aufzureißen.
Die Schachteln waren gefüllt mit Kostproben verschiedener Cateringfirmen, die an jenem Tag im Rahmen von Beccas Hochzeitsvorbereitungen in ihr Büro geliefert worden waren. Ihre Chefin und ihre Kollegen hatten sie gedrängt, die Proben als Verpflegung mit nach Frakes Island zu nehmen. Niemand wollte verderbliche Waren die ganze Woche im Büro herumliegen haben. Sie und Justin hatten die Weine zusammen probieren wollen, um festzulegen, welche die verschiedenen Gänge ihres Hochzeitsmenüs begleiten sollten. Das Ganze war für einen romantischen Wochenendtrip geplant gewesen, und zwar just an diesem Wochenende. Sie hatte alles bis in kleinste Detail geplant.
Vor dem Penisgelutsche.
Die Probehäppchen bestanden aus leckeren, zumeist italienischen Gerichten, die kalt gegessen oder im Ofen aufgewärmt werden konnten, um schnell zwischen erotischen Episoden im Bett gekostet zu werden. Geräuchertes und gebratenes Fleisch, sonnengetrocknete Tomaten, gegrilltes und gratiniertes Gemüse, Frühlingssalate, Käse, Früchte, Cracker und Brot. Kaffeebohnen, Sahne, eine Mühle. Und dann die Krönung: fünf zwanzig Zentimeter hohe Hochzeitstörtchen. Butter-Zitronen-Wölkchen, Rum-Karamell-Pekanuss, Schwarzkirsch-Sünde, Mocca-Mousse und ihr persönlicher Favorit: Grand-Manier-Toffee-Versuchung.
Zumindest konnte ihr niemand vorwerfen, keine Leidenschaft für Süßes zu hegen.
Sie spielte mit dem Gedanken, ein Foto von Justin herauszukramen und es mit Kuchen zu bewerfen, nur war sie absolut unfähig, diese Köstlichkeiten zu vergeuden. Nachdem sie ihre Schwester und ihren Bruder mit einem Kellnerinnengehalt großgezogen hatte, schreckte sie noch heute, Jahre später, davor zurück, Essen zu verschwenden. Sie verstaute die Kuchenschachteln mit beinahe überschäumender Wut im Kühlschrank.
Im letzten Paket befand sich ihre Hochzeitsmappe. Becca hatte sie mitgenommen in der Absicht, sie zu verbrennen, als eine Art Selbstreinigungsprozess. Sie hoffte, dass es ihr anschließend besser gehen würde, was vielleicht etwas viel verlangt wäre, aber einen Versuch war es trotzdem wert.
Sie blätterte darin und staunte über ihre Fähigkeit zur Selbsttäuschung. Allein schon der gesteppte Einband mit den Herzen und der edlen Kreuzstickerei – Becca & Justin, 18. April – hätte ihr Hinweis genug sein müssen, dass die Beziehung zum Scheitern verurteilt war. Das Ding nur anzusehen, versetzte sie in ein Zuckerkoma.
Sie riss den Einband herunter und schleuderte ihn ins Feuer.
Die sorgsam durchgeplanten Sparten verursachten ihr Übelkeit. Sie überflog die Fragen, die sie nachts wach gehalten hatten: Sollte sie diese Minzbonbons bestellen und auf jedes einzelne Namen und Datum prägen lassen? Sollte sie jedem Gedeck ein individuell gestaltetes Zahnstocherschächtelchen beilegen? War Vivaldis Vier Jahreszeiten zu langweilig, um es vom Streichquartett im Garten spielen zu lassen?
Sie riss ganze Hände voller Seiten heraus und verfütterte sie ans Feuer. Sie bauschten sich auf, sprühten Funken und erzeugten leise Zischlaute, bevor sie verbrannten und sich zusammenkrümmten wie elendig sterbende Insekten. Doch Becca fühlte keinen Ansturm befreiender, läuternder Energie. Welche Überraschung!
Dazu bräuchte sie Mr Big und seine geschickten Hände .
Gott bewahre! Sie würde so nicht mit sich sprechen lassen. Einfaltspinsel hin oder her. So viel zum Thema Abenteuer. Diese Begegnung war nicht gerade förderlich für ihr Selbstbewusstsein gewesen.
Es gab noch eine letzte Sache zu verbrennen: den wattierten Umschlag mit den sexy Dessous, die sie im Internet bestellt hatte. Der schmachvolle Beweis ihrer armseligen Bemühungen, Justin zu gefallen, indem sie mehr Einsatz zeigte.
Sie riss den Umschlag auf und starrte die Teile mit brennenden Augen verbittert an. Das jungfräuliche cremefarbene Bustier mit dem nicht ganz so jungfräulichen Stringtanga. Das aprikosenfarbene Babydollhemdchen mit dem passenden Slip, dessen Schritt aus zwei breiten Satinstreifen bestand, die rechts und links neben die Schamlippen gezogen werden konnten, um den Weg frei zu machen für … nun, alles Mögliche. Damals war es ihr wie ein aufreizendes Geheimnis erschienen, das sie mit niemandem als ihrem Verlobten teilen wollte. Heute wirkte es wie ein grimmiger Akt der Verzweiflung.
Und genau diese Verzweiflung hatte sie in den Armen des Fremden empfunden.
Vielleicht war es keine so gute Idee
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