Spiel ohne Regeln (German Edition)
meinen mitbringen«, antwortete Davy. »Er ist dünner als deiner.«
Eine unförmige getarnte Gestalt glitt entlang des Gebäudes auf ihn zu. Es war Davy, der sich unter dem Umhang den Wachmann über die Schulter geworfen hatte.
»Davy, du heizt inzwischen auch auf«, informierte Tam ihn. »Und Nick leuchtet wie ein Neonschild.«
»Wir sind fast da«, stellte Davy ruhig fest.
Nick und Davy trafen vor der Tür aufeinander. Nick tastete nach der schlaffen Hand des Wachpostens und drückte sie auf das Lesegerät. Das Licht schaltete auf Grün. Seufzend schwang die Tür auf. Dahinter stand noch ein Mann. Ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er sie sah.
Pfffsssssss! Ein weiterer Sprühstoß aus der Gasflasche. Der Kerl ging zu Boden. Sie traten über ihn hinweg. Rums! Connor torkelte zurück. Davys Arm schnellte hoch.
Ffftt! Ein Pfeil bohrte sich in den Hals des Scharfschützen. Ein Mann spähte um den Eingang des Kontrollraums, zielte …
Ffftt! Nick jagte auch ihm einen Betäubungspfeil in die Schulter.
Nick rollte sich zu Connor rüber, der zu Boden gesackt war. »Bist du okay, Mann?«, fragte er. »Sag mir, dass du nicht angeschossen wurdest.«
»Nein«, stieß Connor hervor. »Die Weste hat die Kugel abgefangen. Mir ist nur kurz die Luft weggeblieben, ein paar Rippen sind wohl gebrochen.«
Alex Aaro und Seth, die die Nachhut der Eindringlinge bildeten, glitten wie ein Gespensterduo in ihren Tarnanzügen herein.
»Haben wir den Spaß verpasst? Ach, Mist!«, meinte Seth beleidigt.
Davy trat aus dem verglasten Kontrollraum und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Der Raum ist gesichert«, sagte er. »Tam kann uns sagen, wer von draußen reinkommt.«
Nick blickte durch die Tür in einen langen, leeren Flur.
Er wandte sich den anderen zu. »Ihr haltet hier Wache. Ich gehe rein.«
»Es bringt nichts, wenn wir uns alle hier postieren«, widersprach Aaro. »Wir kommen mit.«
»Wie ihr wollt«, murmelte Nick. »Solange ihr euch endlich in Bewegung setzt.«
Mit polternden Stiefeln hetzten sie den Gang hinab.
Der Geruch von Zhoglos Zigaretten verursachte Becca Übelkeit. Allerdings war ihr aufgrund der Umstände ohnehin schon schlecht. Dabei wirkte die Szene auf den ersten Blick beinahe gesellig. Ein Mann und eine Frau, die in Liegestühlen auf einer riesigen Terrasse über einer Klippe saßen. Der Ausblick zeigte das spektakuläre Stadtpanorama von Seattle, mondbeschienenes Wasser und zerklüftete Gebirgsketten, mit noch immer schneeweißen Gipfeln. Eine duftende Brise wehte über die Terrasse, und ein Chor von Grillen zirpte.
Auf dem Tisch zwischen ihren Stühlen stand eine Flasche Wein. Die rubinrote Flüssigkeit schwappte im Glas des Mannes, als er genüsslich das Aroma inhalierte.
Nun könnten dem Betrachter allerdings bizarre Diskrepanzen auffallen. Zum Beispiel das halb automatische Gewehr in den Händen des Mannes hinter ihnen. Das Klebeband über dem Mund der Frau. Die Handschellen um ihre Handgelenke, mit der Hundekette daran, die um einen der vier Pfosten geschlungen war, die die schwere Terrasse stützten. Weiteres Klebeband, das um ihre Brust gewickelt war und sie an den Stuhl fesselte. Zhoglo hatte sich über den Einfall mit der Kette amüsiert und darum beschlossen, sie an ihrem Handgelenk zu belassen.
Er drückte seinen Zigarettenstummel aus. »Um ehrlich zu sein, hatte ich gehofft, dass er dich töten würde«, sagte er im Plauderton. »Für deinen Verrat. Ich hatte mir ausgemalt, dass seine eigene Schuld seine Strafe sein würde, sobald er seinen Fehler erkannt hätte. Überaus dramatisch.« Er nippte an dem Wein und ließ ihn mit gespitzten Lippen in seinem Mund kreisen. »Aber dieses Szenario hier hat seinen ganz eigenen Charme. Soviel ich weiß, ist Solokovs Spezialität das blitzschnelle Töten. So schnell, dass das Opfer noch nicht einmal ahnt, dass es sterben wird. Wie überaus enttäuschend!« Zhoglo beugte sich vor, schnippte mit dem Finger gegen Beccas Wange und lachte leise, als sie zusammenzuckte. »Da habe ich mir für dich etwas ganz anderes überlegt, meine Liebe.«
Becca war fast froh über das Klebeband, weil es ihr die Notwendigkeit einer Antwort ersparte.
»Hättest du gern etwas Wein? Er ist recht passabel. Kristoff, befreie meinen Gast von dem Knebel! Ich bin es allmählich leid, Selbstgespräche zu führen.«
Kristoff fummelte an dem Klebestreifen herum und zog ihn mit einem brutalen Ruck ab. Der Schmerz entlockte Becca ein heiseres Krächzen.
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