Spiel ohne Regeln (German Edition)
Sex? Wow! Du böses Mädchen! So was hätte ich dir gar nicht zugetraut! Ein Befreiungsschlag?«
Verwirrt von der Frage blinzelte sie, dann wurde ihr klar, dass all ihrem Elend zum Trotz nichts davon mit ihrem Ex zusammenhing . Ihre Gefühle gegenüber Nick waren so viel intensiver – auch wenn das die Situation nicht gerade erleichterte.
Elend war und blieb nun mal Elend. Ganz gleich, wodurch es ausgelöst wurde.
»Ich schätze, ja, obwohl mir das zu dem Zeitpunkt nicht bewusst war.«
»Und? Wie ist er?«, fragte Carrie neugierig.
»Nicht der Typ, auf den ich normalerweise stehe. Er ist groß und stark. Ein echtes Muskelpaket. Er hat lange Haare, Bartstoppeln und Tätowierungen, meistens ist er ziemlich vulgär. Er ist irgendwie … gefährlich.«
»Nicht schlecht! Er klingt sehr männlich. Und? War er, du weißt schon, gut?«
»Das verrate ich nicht.«
Carrie schnaubte empört. »Hallo? Becca, ich bin es, Carrie. Deine Schwester. Wir sind unter uns. Ich bin volljährig. War er gut?«
Sie atmete tief ein, dann strömten die Worte aus ihr heraus. »Er war fantastisch«, gestand sie. »Absolut unglaublich.«
Carrie quietschte vor Vergnügen. »Oh, dem Himmel sei Dank, dass du endlich ordentlich flachgelegt wurdest! Ich hatte mich schon gefragt, ob es je geschehen würde! Das wäre dir nie passiert, wenn du diesen Oberwichser Justin geheiratet hättest. Also, wann lerne ich Mr Mucki kennen?«
Becca krümmte sich innerlich. »Das wirst du nicht. Es ist vorbei. Kurz und schmerzhaft.«
»Einer dieser One-Night-Stands, wo sich der Kerl nie wieder meldet?«
Becca stieß einen langen, bedächtigen Seufzer aus. »Ich schätze schon. Mehr oder weniger.«
»Solche Typen sind echt zum Kotzen«, sagte Carrie altklug. »Aber wahrscheinlich ist es besser so. Er war nur ein Lückenbüßer. Rein, raus, aus die Maus. Diese Neandertaler sind fabelhaft, wenn das Licht aus ist. Aber man kann sie nicht mit in die Oper nehmen. Sei nicht deprimiert deswegen!«
Becca ärgerte sich insgeheim über den hochnäsigen, belehrenden Tonfall ihrer Schwester. »Wie es scheint, bin ich es trotzdem«, entgegnete sie schnippisch.
Es nervte sie immer, wenn Carrie in die Rolle der sexuell Erfahreneren schlüpfte. Mit neunzehn war sie dafür noch zu jung, aber Becca war die ganzen Jahre zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihre verwaiste Familie über Wasser zu halten, um die Rolle selbst auszufüllen. Carrie hatte sie mit großem Enthusiasmus übernommen. Manchmal sorgte Becca sich deswegen.
Carrie quasselte unaufhörlich weiter. Becca konzentrierte sich wieder auf die Stimme ihrer Schwester. »… hoch nach Seattle, um nach dir zu sehen«, sagte sie gerade. »Es ist definitiv höchste Zeit für einen Besuch.«
Panik überkam sie, und mit einem Ruck setzte sie sich kerzengerade auf. »Nein! Carrie, nein! Komm nicht her! Bitte!«
»Meine Güte, Becca! Warum zur Hölle denn nicht?«
Becca suchte wie wild nach einer glaubhaften Erklärung, doch stattdessen stürmten unaussprechliche Erinnerungen auf sie ein. Schüsse, Blutlachen, aufgeschlitzte Kehlen, das schmatzende Lächeln der Spinne, ihre glitzernden Augen – es war alles noch viel zu nah, viel zu real. Die giftige Atmosphäre infizierte sogar die Luft, die sie atmete. Sie wollte Carrie und Josh nicht einmal in der Nähe davon wissen.
Aber sie konnte auch nichts Verrücktes unternehmen, wie beispielsweise das Leben ihrer Geschwister auf den Kopf stellen, indem sie einen Kredit aufnahm und beide nach Argentinien schickte, ohne ihnen den Grund dafür zu sagen. Allerdings kam es ihr noch viel gefährlicher vor, sie einzuweihen.
»Aber ich mache mir Sorgen um dich«, meinte Carrie klagend. »Das alles sieht dir einfach nicht ähnlich, Becca. Das Telefon zu ignorieren, die Arbeit zu vergessen, gefährliche Fremde aufzugabeln und wilden Sex mit ihnen zu haben … es ist einfach zu verrückt. Ich glaube, du musst unbedingt und ganz dringend ewig lang und feste von mir gedrückt werden.«
Beccas Herz machte einen Satz, und ihr traten die Tränen in die Augen. »Du bist lieb, Carrie, und ich weiß deine Sorge zu schätzen, aber ich will nicht, dass du in der Uni fehlst. Du darfst dein Stipendium nicht verlieren. Ich kann nicht … «
»Ja, ja. Ich weiß. Du kannst mir nicht gleichzeitig mit der Miete und mit dem Schulgeld helfen. Das haben wir schon durchgekaut.«
»Bitte«, sagte Becca flehentlich. »Ich kann jetzt keinen Besuch gebrauchen. Ich bin einfach nicht präsentabel. Ich muss
Weitere Kostenlose Bücher