Spiel ohne Regeln (German Edition)
vergessen, mit dem sie ihn aus der Tür geschoben hatte. Dazu die klassischen Abschiedsworte: Hau ab, du Arschloch!
Es war bei Gott nicht das erste Mal gewesen, dass er diesen speziellen Satz aus dem Mund einer Frau gehört hatte. Darum kapierte er nicht, warum es ihm diesmal so naheging. Plötzlich ertappte er sich dabei, dass er die Hand in der Tasche hatte und den verschließbaren Beutel mit ihren Locken darin festhielt.
Scheiße! Leise fluchend zog er die Hand heraus.
»Und? Konntest du sie überzeugen? Das ist echt mal eine toughe Braut.«
Nick drehte sich zu der trockenen Stimme und damit zu Seth Mackey um, dem Mann, der ihm mehr oder weniger unfreiwillig half. »Ich glaube schon«, meinte er dumpf. »Ich denke, wir sind im Geschäft.«
»Und jetzt?« Seth verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn forschend an.
Nick atmete erschöpft aus. »Jetzt warten wir. Und ich beobachte sie.«
»In Echtzeit? Rund um die Uhr? Niemand sonst kann diese Kerle identifizieren, und keiner von uns spricht Ukrainisch. Wir können dich nicht ablösen, Alter.«
»Ich weiß das«, brummte Nick. »Man hat mich darauf hingewiesen. Mehr als einmal.«
»Es wird furchtbar öde sein. Du wirst verrückt werden«, warnte Seth ihn. »Irgendwann musst du schlafen.«
»Nein, das muss ich nicht. Und verrückt bin ich schon.« In Wahrheit klang die Vorstellung, auf Videobilder leerer Räume zu starren, fast entspannend nach all dem blutigen Gemetzel und dem weiblichen Gekeife. »Nur ich kann das machen«, schloss er. »Es sei denn, du hast eine bessere Idee.«
»Ja«, bestätigte Seth munter. »Ferngesteuerte Sender. Wir rufen die Informationen alle paar Stunden ab und analysieren sie an Ort und Stelle.«
»Das wird Milla nicht helfen, wenn sie sie entführen«, argumentierte Nick müde. »Und es wird zu spät sein, um ihre Kidnapper zu verfolgen. Vergiss es!«
»Darum stellen wir dieser Frau Bodyguards zur Verfügung? Und das auf deine Kosten?« Seth verzog angewidert den Mund. Er hatte für Zuhälter nichts übrig, ganz gleich welchen Geschlechts. »Ich wusste gar nicht, dass dir diese gierige Hexe so am Herzen liegt.«
»Das tut sie nicht«, sagte Nick zähneknirschend. »Für mich ist sie ein eiskaltes Miststück. Trotzdem will ich nicht, dass sie stirbt, bloß weil ich es verbockt habe.«
Seth schüttelte den Kopf, ein Ausdruck der Verwunderung in seinem dunklen Gesicht. »Scheiße! Du bist noch schlimmer als die McClouds. Ich wusste gar nicht, dass du ein solcher Prinzipienreiter bist. Ich hielt dich eher für … «
»Was?«, fuhr Nick ihn an. »Die Art von Arschloch, der einen Freund in die Pfanne haut und ihn dem sicheren Tod überlässt? Ist es das, was du sagen wolltest?«
Seth verengte die dunklen Augen zu Schlitzen, und sein Mund wurde schmal.
»Das kommt vom Schlafentzug«, sagte Davy McCloud aus Richtung der Tür. »Eine üble Sache. Verwandelt einen normalen Mann in einen rasenden Irren. Ich beobachte die Folgen bei meinem Bruder schon, seit sein Kind auf der Welt ist.«
»Ja, und du bist als Nächstes dran«, sagte Seth mit einem flüchtigen Grinsen. »Wie lange noch? Fünf Wochen? Weniger? Halt dich bereit!«
Nick drehte den Kopf auf seinem wunden, schmerzenden Hals und musterte den blonden Hünen, der fast die Statur eines Kühlschranks hatte und in diesem Moment den Türrahmen ausfüllte. »Willst du damit sagen, dass ich ein rasender Irrer bin?«
»Nein. Aber du musst dich ausruhen. Und wieder lockerer werden«, sagte Davy beschwichtigend. »Niemand gibt dir die Schuld für Novak.«
»Du hast das sehr wohl getan«, erinnerte Nick ihn. »Du hast mich jahrelang nicht mit dem Arsch angeschaut.«
»Und wenn schon! Ich bin drüber weg.« Davy schlenderte ins Zimmer. Der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht, als er sich setzte. »Und du solltest das auch sein. Es ist ja nichts passiert. Also, entspann dich! Die Geschichte ist längst erledigt.«
Die Männer verfielen in Schweigen. Nick fühlte sich wie ein hysterischer Schwachkopf, weil er das alles wieder aufs Tapet gebracht hatte. Wann immer er daran zurückdachte, wünschte er sich, die Erde möge sich unter ihm auftun und ihn verschlingen. Darüber zu sprechen, vor allem mit einem McCloud, machte es nur noch schlimmer.
Aber Connor und seine Frau hatten das Abenteuer heil überstanden. Sie lebten, waren glücklich, hatten sich sogar fortgepflanzt. Die damaligen Geschehnisse waren längst von ganz neuem Horror überschattet worden: Sergei, mit seinen
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