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Spiel Satz Tod - Kriminalroman

Spiel Satz Tod - Kriminalroman

Titel: Spiel Satz Tod - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sei ihnen kalt. Ich senkte den Blick auf meine Hände.
    Weitere Menschen kamen. Ein paar junge Männer in Anzügen führten sie einzeln oder in Paaren den Mittelgang entlang. Es waren Gemeindemitglieder oder vielleicht auch entfernte Verwandte von Fred. Vor allem aber fanden sich Schüler und Lehrer der Bonham Highschool ein, alle dunkel gekleidet, einige mit geröteten Augen und Nasen. Viele kannte ich, die meisten aber nicht. Ein Mädchen schluchzte laut, als man es zu seinem Platz brachte. Ihre Trauer wirkte auf mich allzu theatralisch. Die zahlreichen Freunde, die sich um sie scharten, um ihre Schulter zu tätscheln oder ihr die Hand zu drücken, verstärkten diesen Eindruck noch. Auf Teenager, die zur Dramatisierung neigen, wirken Tod und Trauerfeiern nur allzu verlockend. Vielleicht sind ihre starken Emotionen ja aufrichtig, wenigstens für den Augenblick. Ich schätzte die Chance, dass das Mädchen Fred überhaupt gekannt hatte, auf höchstens siebzig Prozent.
    Auf ein Geräusch von der Tür drehte ich meinen Kopf gerade noch rechtzeitig, um Roland Wildings und Nancy Wales’ Auftritt mitzuerleben. Ihr Theaterblut raubt ihnen wohl die Möglichkeit, einen Raum ohne Aufsehen zu betreten. Selbst hier, bei einem Begräbnis, waren ihre Gesten zu ausladend, ihre Stimmen zu laut und ihre Posen zu auffällig. »Schaut auf mich, schaut auf mich«, schienen beide zu rufen. Am liebsten wäre ich hingelaufen und hätte sie mit ein paar Ohrfeigen zur Räson gebracht. Bei genauerem Hinsehen fiel mir allerdings auf, dass Nancy etwas bedrückter, zumindest aber zurückhaltender schien, und es Roland war, der das meiste Trara veranstaltete. Laut debattierte er mit dem Platzanweiser und forderte, näher beim Altar sitzen zu wollen. Nancy leistete auch hier unerwartet taktvollen Widerstand, aber er drängte sie nach vorn. Angewidert wandte ich mich ab.
    Jetzt erklangen aus Lautsprechern, die in den Ecken derKapelle angebracht waren, die tiefen Töne vom CD-Player abgespielter Orgelmusik. Die Kirche war bis zum letzten Platz besetzt, weitere Trauernde standen an den Wänden und im Vorraum. Eine kleine Gruppe ganz in Schwarz – zwei Frauen, ein Mann und zwei kleine Kinder – wurde zur ersten Bank geleitet – zweifellos Freds Witwe, sein Sohn und Frau, dazu die Enkel, auf die er so stolz gewesen war.
    Die Feier war kurz, wenn auch nicht kurz genug. Zuerst sagte der Pfarrer ein paar Worte. Dann trat eine junge Frau, möglicherweise eine Verwandte, mit Ghettoblaster und Mikrofon zum Altar und sang mit geschlossenen Augen Whitney Houstons You Light Up My Life , wobei ihr die hohen Töne etwas missrieten. Das Wort »Begräbnis-Karaoke« kam mir in den Sinn, und unerwartet musste ich den völlig unangebrachten Drang unterdrücken, laut aufzulachen. Bevor sie zu einer zweiten Darbietung ansetzen konnte, erhob sich zum Glück Freds Sohn und sprach überraschend eloquent sehr zu Herzen gehende Worte, bei denen überall die Taschentücher gezückt wurden. Der Pfarrer sagte noch etwas, das kaum jemand hören konnte, und dann war es vorbei.
    Da ich weit hinten saß, gelang es mir, als eine der Ersten nach der Familie die kleine Kapelle zu verlassen. Ich stellte mich in die Reihe, um den Verwandten die Hand zu drücken und ihnen mein Beileid auszusprechen. Die Hitze des Nachmittags sprang mich an wie der Gluthauch eines Hochofens, aber über das helle, blendende Licht war ich froh. Nach der düsteren Kälte in der Kirche hatte ich fast befürchtet, in einen grauen, nieseligen Tag hinaustreten zu müssen, an dem der Himmel mit uns weinte. Stattdessen holten uns das strahlend blaue Firmament, die Augusthitze und die rauen Rufe der Dohlen, die miteinander im Gras zankten, indie Welt der Lebenden zurück. Geradezu zwanghaft sog ich die Luft ein und dankte Gott, dass ich noch am Leben war.
    Die Reihe der Trauernden rückte ziemlich rasch vorwärts. Als ich bei Freds Witwe ankam, sagte ich die üblichen Worte des Mitgefühls und wollte weitergehen.
    Unerwartet hielt die Frau meine Hand fest. »Sind Sie nicht Jocelyn Shore?«, fragte sie.
    Überrascht bejahte ich. Zwar war ich ihr über die Jahre ein, zwei Mal begegnet, hatte jedoch nicht geglaubt, dass sie sich an mich erinnern würde. Sie hieß Edith, was mir nur einfiel, weil ich es in der Todesanzeige gelesen hatte.
    »Einen Moment bitte.«
    Sie suchte in ihrer kleinen schwarzen Handtasche, einem hübschen Ding, das sie sich gewiss einmal für einen besonderen Anlass, einen runden Geburtstag

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