Spiel Satz Tod - Kriminalroman
überhaupt keinen Bauch. Auch von Hängebrust keine Spur.
Er blickte wieder zu mir. »Worüber lächeln Sie?«
»Über nichts Besonderes«, gab ich zurück. »Haben Sie übrigens schon mit Ed Jones gesprochen? Ich habe herausbekommen, dass er an dem Tag, an dem Fred gestorben ist, noch mit ihm bei den Tennisplätzen geredet hat.«
Er war etwas durcheinander, dass ich so abrupt das Thema wechselte, ließ es jedoch geschehen. »Woher wissen Sie das?«
»Ich höre so dieses und jenes. Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Der Name sagt mir nichts, aber ich habe viele Leute vernommen. Weshalb?«
Seine Gegenfrage brachte mich ins Schwanken. Meinte ich denn wirklich, Ed Jones, der Kerl mit den knappsitzenden Poloshirts und den wässrigen Augen, hätte etwas mit Freds Tod zu tun?
Ich antwortete nicht. Colin warf mir einen verwunderten Blick zu, kam dann aber auf den Überfall zurück.
»Sie meinen also, jemand hatte es genau auf Sie abgesehen. Sie waren keine zufällige Beute, die dem Angreifer in einem günstigen Moment über den Weg lief?«
»Ich hatte meine Tasche nicht dabei, die lag im Bus. Ich war nur in Shorts und T-Shirt, bei mir konnte also nicht viel zu holen sein. Wenn es ein Dieb gewesen wäre, hätte er zuerst nach einem Portemonnaie oder nach Schlüsseln gesucht. Aber er hat sich nicht einmal für meine Hosentaschen interessiert.«
»Dann kommen wir jetzt zur Standardfrage der Polizei: Haben Sie Feinde?« Das klang nicht ganz ernst, aber offenbar erwartete er eine Antwort.
Noch am Tag zuvor hätte ich laut gelacht und nein gesagt. Jetzt, da ich in diesem Krankenbett lag und am Tropf hing, hatte ich allen Grund, darüber genauer nachzudenken. Hatte ich Feinde? Das erschien mir vollkommen lächerlich. Schließlich sah ich ganz gut aus und war beliebt. Dann ging ich der Reihe nach die Leute durch, denen ich in letzter Zeit auf die Füße getreten war.
Mit Gary Richards hatte ich mich über die Tennismannschaft gestritten, aber er konnte nicht wissen, dass ich ihn absichtlich in den Ameisenhaufen manövriert hatte. Außerdem versucht man deswegen keinen umzubringen. Er hätte sich vielleicht in einem bösen Brief an die Schulleitung über mich beschweren können, aber mir in einem Park aufzulauern? Ed Jones wollte unbedingt an meiner Stelle Tennistrainer werden. Nancy Wales war sauer auf mich, weil ich sie daran hinderte, ihr Theater nach Gutsherrenart zu führen. Und Roland Wilding grollte mir, weil ich dem Schultheater, wenn auch nicht absichtlich, die Chance geraubt hatte, in einem Film mitzuspielen. Aber das waren alles Reibereien über Kleinigkeiten, wie sie in einer Schule jeden Tag vorkommen. Hatte einer von ihnen eine solche Wut auf mich, dass er mich körperlich angreifen würde? Für mich war Gewalt eigentlich nur im Zusammenhang mit Drogen vorstellbar. Womit ich wieder bei den Joints in Trainer Freds Schreibtisch war, den primitiven, schlecht gedrehten Marihuanazigaretten, die in Marlboropäckchen steckten. Und die eigentlich gar kein richtiges Rauschgift waren. Dafür gab es bei uns höchstens eins auf die Finger.
Es sei denn, es bestand ein Zusammenhang mit demMord. Hatte ich mit meinen bohrenden Fragen in den letzten zwei Tagen vielleicht jemanden aufgeschreckt? Außer den Leuten, die sauer auf mich waren, hatte ich noch mit Stan, dem Parkplatznazi, und Maria Santos im Schulsekretariat gesprochen. Pat Carver hatte alles mitgehört, was ich zu Maria sagte, und natürlich kann jemand von ihnen sich mit anderen über meine Erkundungen unterhalten haben. Hatte etwas, das ich gefragt oder gesagt hatte, den Mörder aufgestört?
Colin war inzwischen stehen geblieben und hatte die Arme über der Brust verschränkt. »Wenn Sie sehen könnten, was sich in Ihrem Gesicht abspielt. Woran denken Sie? Haben Sie meine Frage gehört?«
»Ich habe keine Feinde. Vielleicht schicken mir ein paar Leute dieses Jahr keine Weihnachtskarte, aber das ist es dann auch.«
»Na schön, ich gehe jetzt. Sie versuchen zu schlafen, und wir reden morgen weiter.«
»Danke«, sagte ich.
Er schaute mich fragend an und ging, wobei er mir zum Abschied ungelenk zuwinkte. Ich saß bewegungslos da, als sich die Tür mit einem leisen Klick hinter ihm schloss. Die permanenten Hintergrundgeräusche des Krankenhauses blieben nicht völlig draußen. Jetzt, um drei Uhr nachts, waren sie beinahe verstummt, aber nie ganz. Irgendwo in dem großen Gebäude summten unentwegt rätselhafte Geräte, Schwestern liefen über die Gänge,
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