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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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unserem Tisch zu, stellte die Kaffeetasse ab und zog den Tabakbeutel mit der Abbildung eines Fuchses aus der Hemdtasche.
    Das Auto mit dem Wohnwagen hielt nur ein, zwei Meter von uns entfernt. Die Tür ging auf, und ein fetter Mann in beigen Shorts, einem gelben T-Shirt und mit einem braunen Strandhut auf dem Kopf stieg aus. Er öffnete die Tür zum Wohnwagen und verschwand darin, gleichzeitig stieg an der Beifahrerseite des Autos eine Frau aus. Auch sie war fett, trug eine hellgraue, elastische Hose mit Bügelfalte und einen ziemlich wolligen Pullover. In ihrem Mund hing eine erloschene Zigarette, sie hatte üppige, graugelbe Haare, ihre Augen lagen hinter einer großen Brille mit leicht rußigen Gläsern. Sie stellte sich an den See, zündete ihre Zigarette an und blickte rauchend auf die Wasserfläche hinaus.
    Ich widmete mich meinem letzten Brot.
    Der Mann kam mit einem Campingtisch in den Händen wieder heraus, den er zwischen dem Auto und unserem Tisch aufklappte. Vater drehte sich erneut um.
    »Wissen diese Leute nicht, was sich gehört?«, fragte er. »Wir sitzen hier und wollen in Ruhe essen, und er rückt uns so auf die Pelle?«
    »Das ist doch nicht weiter schlimm«, erwiderte Mutter. »Hier ist es doch sehr schön.«
    »Hier war es sehr schön«, widersprach Vater. »Bis dieser Idiot gekommen ist.«
    »Er kann dich hören«, sagte Mutter.
    Der Mann stellte eine klirrende Kühltasche neben dem Tisch ab. Die Frau kam zu ihm.
    »Das sind Deutsche«, stellte Vater fest. »Die verstehen kein Wort. Wir können sagen, was wir wollen.«
    Er trank den letzten Schluck aus seiner Tasse und stand auf.
    »Schön, dann wollen wir mal sehen, dass wir weiterkommen.«
    »Die Jungen haben noch nicht aufgegessen«, wandte Mutter ein. » So eilig haben wir es nun auch wieder nicht.«
    »Doch, das haben wir«, widersprach Vater ihr. »Na dann esst eben fertig. Aber beeilt euch.«
    Er warf seine halb gerauchte Zigarette weg, trug Gläser und Tassen zum See, spülte sie aus und legte sie mit den Tellern und der Thermoskanne in die Tüte. Er schloss den Deckel der Kühltasche und räumte alles in den Kofferraum zurück. Der Mann und die Frau sagten etwas, was ich nicht verstand, und blickten dabei auf den sanft ansteigenden Hang am anderen Seeufer. Er zeigte dorthin. In der Ferne schien sich etwas zu bewegen. Mutter knüllte das Butterbrotpapier zusammen, legte es in eine Tüte und stand auf.
    »Dann wollen wir mal«, sagte sie. »Die Kekse essen wir dann beim nächsten Halt.«
    Das hatte ich schon befürchtet.
    Vater drückte den Sitz für mich nach vorn, und ich setzte mich hinein. Nach der frischen Luft im Freien fiel einem die verrauchte Luft im Auto umso stärker auf. Yngve kletterte durch die andere Tür hinein und rümpfte die Nase.
    »Ich glaube, die Wirkung der Reisetablette lässt langsam nach«, meinte er.
    »Sag Bescheid, wenn dir schlecht wird«, sagte Mutter.
    »Es würde vielleicht helfen, wenn ihr nicht die ganze Zeit rauchen würdet«, erwiderte er.
    »Sei still, Junge«, mischte Vater sich ein. »Beschwer dich nicht. Wir haben jetzt Urlaub.«
    Langsam rollte der Wagen wieder auf die Straße. Ich schaute in die Ferne, am See vorbei und zu dem Punkt hinauf, auf den der Mann gezeigt hatte. Da war etwas. Ein graues Feld mitten in allem Grün, das sich langsam bewegte. Was in aller Welt konnte das sein?
    Ich stieß Yngve an und zeigte aus dem Fenster, als er sich mir zuwandte.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Könnten Rentiere sein«, antwortete er. »Die haben wir letztes Jahr auch gesehen. Erinnerst du dich nicht?«
    »Doch«, sagte ich. »Aber da waren sie viel näher. Die da sind ja so klein wie Mäuse!«
    Anschließend versanken wir wieder in den fast tranceartigen Zustand des Autofahrens. Wir überquerten das restliche Fjell, verließen es in Røldal und fuhren weiter nach Odda, diesen schmutzigen kleinen Ort am Ende des Hardangerfjords, der trotz seiner heruntergewirtschafteten und verschmutzten Umwelt Teil an der Magie hatte, die von dieser hinteren Seite der Bergkette ausging, und zwar durch ihre schwindelerregende und im Grunde unfassbare Andersartigkeit im Vergleich zu der Welt, die wir nur ein paar Stunden zuvor verlassen hatten. Während Südnorwegen größtenteils aus flachen Hügelkuppen und Felsen bestand, aus unübersichtlichem Unterholz und den unterschiedlichsten Bäumen, die Seite an Seite in einer Landschaft standen, die zugleich weit offen und knauserig war, und die höchste Erhebung der

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