Spielen: Roman (German Edition)
Lottogesell schaft bekämen, sollten diejenigen, die fünf Richtige hat ten, der Lottogesellschaft eigentlich Geld zahlen, erklärte er. Yngve hatte sieben Richtige, und Vater brachte es auf zehn, aber leider bekam man an diesem Spieltag für zehn Richtige kein Geld ausbezahlt.
Als alle Ergebnisse feststanden, war es zwei Minuten vor sechs. Draußen kam Ketil auf seinem Fahrrad die Straße heruntergesaust, und auf dem Gepäckträger lag festgeklemmt eine dicke Tüte. Ich stand auf und sagte, dass ich noch etwas hinausgehen wolle.
»Was willst du denn da draußen?«, fragte Vater. »Kommt jetzt nicht die Kinderstunde?«
»Ich habe heute keine Lust, sie zu gucken«, antwortete ich. »Außerdem bin ich mit Geir verabredet.«
»Du bist verabredet«, erwiderte Vater. »Na schön, in Ordnung. Aber um acht bist du wieder zu Hause.«
»Willst du raus?«, fragte Mutter und stand in der Tür. »Ich dachte, du könntest mir bei der Pizza helfen?«
»Das würde ich wirklich gerne tun, aber ich bin verabredet«, erklärte ich.
»Unser Sohn verabredet sich neuerdings«, sagte Vater. »Bist du sicher, dass du dich mit Geir triffst? Und nicht mit einer kleinen Liebsten?«
»Ja, da bin ich mir ganz sicher«, antwortete ich.
»Sei bitte um acht zu Hause«, sagte Mutter.
Vater stand auf.
»Bald sind wir hier abends ganz allein, Sissel«, sagte er, zog seine Hose am Gürtel hoch und strich sich mit der Hand durchs Haar. Ich war schon auf dem Weg den Flur hinab und hörte nicht mehr, was sie darauf erwiderte.
Mein Hals war vor Erregung zugeschnürt, ich zitterte am ganzen Körper. Unten im Flur zog ich meine Joggingschuhe an – denn mit etwas Glück war der Boden im Wald inzwischen getrocknet –, den blauen Strickpullover und die blaue, gefütterte Weste, die Mutter mir gerade genäht hatte, öffnete die Tür und stürmte zu Ketil hinaus, der mit einem Bein auf der Pedale und einem Bein auf der Erde auf seinem Fahrrad saß, und zu Geir, der neben ihm stand. Beide schauten in meine Richtung.
»Lasst uns zum Bootshaus gehen«, schlug ich vor. »Da sieht uns keiner.«
»Okay«, sagte Ketil. »Dann nehme ich mit dem Fahrrad die Ringstraße, und wir treffen uns da unten.«
Geir und ich liefen die Straße hinunter und auf den Feldweg, sprangen über den Bach und rannten die Böschung hinunter, die unter unseren Schritten förmlich bebte, überquerten das Feld und die nicht asphaltierte Straße und wurden erst langsamer, als wir auf die sanft abfallende Wiese gelangten und gleichzeitig Ketil direkt neben dem alten weißen Haus auf der Kuppe des Hügels auftauchte.
Ketil war zwei Jahre älter als wir und blieb gerne für sich, so schätzten wir ihn jedenfalls ein. Mit seinen hohen Wangenknochen, schmalen Augen und den schwarzen, glänzenden Haaren ähnelte er einem Indianer, und die Mädchen schwärmten für ihn. Das war allerdings erst seit Kurzem so. Von einem Tag auf den anderen wurde Ketil zu jemandem, über den sie redeten und den sie anschauten, plötzlich war sein Name in aller Munde, und das Seltsame daran war vielleicht weniger, dass es ihn dadurch plötzlich gab, wogegen er früher eine Art Schattendasein geführt hatte, sondern dass es bei den Mädchen, die über ihn sprachen und ihn betrachteten, deshalb eine Art Stolz gab, als würden sie interessant, weil sie eine so unerwartete Wahl trafen, als würden sie interessanter, als er es war. Denn er lebte ja einfach weiter, radelte durch die Gegend und war mal hier, mal da, fast immer allein und immer freundlich zu uns.
Er klappte den Fahrradständer herunter. Es war ein oranges DBS-Rennrad mit Rennlenker, bei dem sich das Lenkerband an der einen Seite gelöst hatte und in Fetzen herabhing, hob die Federklappe des Gepäckträgers an, griff nach der Tüte und schlenderte zu uns. Wir lagen bereits jeder mit einem langen Halm im Mund im Gras.
Die Sonne stand über dem Hügel hinter uns schon tief, und sein Schatten streckte sich weit über den Erdboden. Von der kleinen Felseninsel in der schmalen Bucht schallten Möwenschreie zu uns herüber. Am ganzen Körper zittrig griff ich nach einem der Hefte und legte mich auf den Bauch. Obwohl ich mir ein Bild nach dem anderen ansah und jedes Mal nur einen Teil des Bildes, zum Beispiel die Brüste, die ich nur flüchtig ansehen musste, damit mich die Erregung durchzuckte, zum Beispiel die Beine; der fast unbezähmbare Sog, den der Anblick der Spalte dazwischen, mehr oder weniger offen, mehr oder weniger rötlich und glänzend,
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