Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
nach Hause kam und die Straße hinaufging, um Geir zu erzählen, was passiert war: Die Welt war etwas, auf dessen Spitze ich ging, sie war undurchdringlich und hart, es war unmöglich, in ihr zu versinken, egal, ob sie zu steilen Bergen aufstieg oder sich zu tiefen Tälern senkte. Ich hatte natürlich gewusst, dass es so war, nie zuvor jedoch gefühlt, dass wir uns auf einer Oberfläche bewegten.
    Trotz dieser Episode und des Unbehagens, das ich manch mal empfand, wenn ich in der schmalen Spalte badete, mochte ich diese Ausflüge sehr. Auf einem Handtuch neben Yngve zu sitzen und auf das hellblaue, spiegelblanke Meer hinauszuschauen, das sich erst am Horizont verlor, an dem stets große Schiffe gemächlich wie Stundenzeiger vorbeiglitten, oder zu den beiden Leuchttürmen auf Torungen, deren Weiß sich vom leuchtend blauen Himmel absetzte: Etwas Besseres gab es nicht. Limonade zu trinken, die in der rotkarierten Kühltasche gelegen hatte, Kekse zu essen, eventuell Vater zu beobachten, der braungebrannt und muskulös am Rande der Felsen entlangging, um in der nächsten Sekunde in das Meer zwei Meter unter ihm zu springen. Seine Art, den Kopf zu schütteln und sich die Haare aus den Augen zu streichen, wenn er auftauchte, das Prickeln der Wasserblasen um ihn herum, die seltene Freude in seinen Augen, wenn er mit seinen schweren, langsamen Zügen in der Dünung auf und ab wippend zum Ufer schwamm. Oder zu den etwas weiter entfernt liegenden Gletschertöpfen zu gehen, der eine mannstief, mit deutlich erkennbaren, abwärtsführenden Spiralspuren im Fels, gefüllt mit salzigem Meerwasser, auf dem Grund überwuchert von grünen Meerpflanzen und großen Tangdolden, der zweite flacher, aber nicht weniger schön. Oder zu den flachen, extrem salzigen und warmen Teichen, die Mulden im Fels füllten und nur bei Sturm mit neuem Wasser gespeist wurden. Ihre Oberfläche war von kleinen, schwirrenden Insekten bedeckt und der Grund von gelben, kränklich aussehenden Algen übersät.

An einem solchen Tag hatte Vater beschlossen, mir das Schwimmen beizubringen. Er bat mich, ihm bis zum Ufersaum zu folgen. Dort ragte ein kleiner, glatter und tangbewachsener Felsrücken etwa einen halben Meter unter der Oberfläche ins Wasser hinein, auf den ich mich stellen sollte. Er selbst schwamm zu einem Felsen hinaus, der sich vier oder fünf Meter vom Land entfernt befand, und drehte sich zu mir um.
    »Jetzt schwimmst du zu mir«, sagte er.
    »Aber das Wasser ist tief!«, entgegnete ich. Es stimmte, der Grund zwischen den beiden kleinen Riffen ließ sich nur vage erkennen, das Wasser war schätzungsweise drei Meter tief.
    »Ich stehe hier, Karl Ove. Denkst du etwa, ich könnte dich nicht retten, wenn du untergehst? Jetzt schwimm schon. Es ist überhaupt nicht gefährlich! Ich weiß doch, dass du es kannst. Wirf dich nach vorn und mach deine Schwimmzüge. Wenn du das tust, kannst du schwimmen, verstehst du? Dann kannst du schwimmen!«
    Ich hockte mich ins Wasser.
    Tief unter mir schimmerte grünlich der Meeresboden. Sollte ich wirklich über ihn hinweggleiten können?
    Mein Herz pochte so heftig, wie es das nur tat, wenn ich große Angst hatte.
    »Ich kann nicht!«, rief ich.
    »Natürlich kannst du!«, rief Vater zurück. »Es ist ganz leicht! Schwimm einfach los, mach ein paar Züge, dann stehst du hier.«
    »Ich kann nicht!«, wiederholte ich.
    Er sah mich an. Dann seufzte er und schwamm zu mir.
    »Okay«, sagte er. »Ich schwimme neben dir und halte meine Hand unter deinen Bauch. Dann kannst du gar nicht untergehen!«
    Aber ich konnte nicht. Warum begriff er das nicht?
    Ich begann zu weinen.
    »Ich kann nicht«, sagte ich.
    Die Tiefe war in meinem Kopf und in meiner Brust. Die Tiefe saß in Armen und Beinen, in Fingern und Zehen. Die Tiefe füllte mich vollständig aus. Sollte ich sie verdrängen können?
    Ein Lächeln war von ihm jetzt nicht mehr zu bekommen. Mit grimmiger Miene ging er an Land, zu unseren Sachen, und kam mit meiner Schwimmweste zurück.
    »Dann zieh das Ding an«, sagte er und warf sie mir zu. »Dann kannst du gar nicht untergehen, selbst wenn du es versuchst.«
    Ich zog sie an, obwohl ich wusste, dass sich dadurch nichts ändern würde.
    Er schwamm wieder hinaus, drehte sich zu mir um.
    »Jetzt mach schon!«, sagte er. »Komm zu mir!«
    Ich ging in die Hocke. Das Wasser schwappte über meine Badehose. Ich streckte unter Wasser die Arme aus.
    »So ist es gut!«, rief Vater.
    Es kam nur darauf an, sich nach vorn zu werfen und

Weitere Kostenlose Bücher