Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
sah die Zungen in ihren Mündern arbeiten. Sie hielt die Augen geschlossen und hatte die Arme um ihn gelegt, er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und hielt die Augen offen. Alle sahen die beiden an. Nach zehn Minuten hielt er die Uhr hoch, richtete sich auf und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Zehn Minuten«, sagte er.
    So machte man das. Ich würde die Uhr herausholen und sie fragen, ob wir probieren wollten, wie lange wir uns küssen konnten. Anschließend brauchte man nur noch loszulegen.
    Ich stieß mich mit dem Fuß ab und fuhr in Richtung Holtet. Wichtig war, den passenden Ort zu finden. Im Wald natürlich, aber wo genau? Oben bei ihr? Nein, dort kannte ich mich nicht aus. Es musste irgendwo bei uns in der Nähe passieren.
    Vielleicht nicht direkt bei uns.
    Immerhin wollten wir uns bei ihr treffen.
    Aber natürlich. Na klar. Im Wald an dem Weg, der von der Fina hochführte. Unter den Laubbäumen dort. Das war perfekt. Dort würde uns niemand sehen. Der Waldboden war weich. Und das Licht fiel so schön durch die Baumwipfel.
    Um am nächsten Nachmittag nicht als Erster zum Training zu erscheinen, schob ich das Fahrrad jeden Anstieg hoch, aber es half alles nichts, denn als ich den Platz vor mir liegen sah, war er bis auf sirrende und klackernde Rasensprenger verwaist, die alle in ihrem eigenen Rhythmus Wasser um sich schleuderten. Christian und Hans Christian saßen auf dem Zaun am Eingang und blinzelten mich im Sonnenlicht an.
    »Ihr habt keinen Ball?«, fragte ich.
    Sie schüttelten den Kopf.
    »Stimmt es, dass du mit Kajsa gehst?«, fragte Christian.
    »Ja«, antwortete ich und biss mir auf die Lippe, um nicht zu grinsen.
    »Sie ist hübsch«, sagte er.
    Christian war noch nie mit einem Mädchen zusammen gewesen, er war nicht der Typ dafür, aber beim Norway Cup im vorigen Sommer hatte er am Abend unserer Ankunft am Kiosk vor der Schule ein Pornoheft gekauft. Leider hatte er das Pech gehabt, dass sein Vater, der die D-Jugend trainierte, ihn dabei erwischte, als er in seinem Schlafsack lag und die hypnotisierenden Bilder anstarrte. Unter den Augen der gesamten Mannschaft musste er daraufhin das Magazin in den Müll werfen und seinen Vater um Entschuldigung bitten.
    »Ja-a«, sagte ich.
    Kurz darauf kam Øivind mit Bällen und den Schlüsseln, und wir liefen zwischen den Rasensprengern hindurch zum hinteren Tor, auf das wir schossen, während Øivind das Wasser abstellte und die Sprenger vom Spielfeld räumte. Als alle gekommen waren, liefen wir ein paar Runden um den Platz, dehnten uns und machten ein paar technische Übungen, ehe wir auf der einen Spielfeldhälfte sieben gegen sieben spielten. Kajsa kam erst kurz vor Schluss zusammen mit den drei anderen Mädchen, mit denen sie auch vorher dort gewesen war. Sie winkte mir zu, ich winkte zurück.
    »Konzentrier dich, Karl Ove!«, rief Øivind. »Erst das Training, dann die Mädchen!«
    Nach dem Training tauchte ich den Kopf in den Wasserbottich an der Seitenlinie und versuchte mir nichts anmerken zu lassen, was mir jedoch schwerfiel, denn die Gewissheit, dass sie da oben saß und nicht nur sie, sondern auch ihre Freundinnen mich beobachteten, brannte unablässig in meinem Bewusstsein.
    Dann kam sie herunter.
    »Gehst du dich umziehen?«, fragte sie.
    Ich nickte.
    »Ich komme mit. Ich muss dir hinterher etwas erzählen.«
    Mir etwas erzählen? Wollte sie Schluss machen?
    Ich ging in Richtung Umkleideraum. Sie streckte die Hand aus und berührte flüchtig meine. War das ein Versehen gewesen? Oder konnte ich ihre Hand in meine nehmen?
    Ich sah sie an.
    Sie lächelte mich an.
    Mit einer schnellen Bewegung griff ich nach ihrer Hand.
    Hinter uns pfiff jemand. Ich wandte mich um. Es waren Lars und John. Sie verdrehten die Augen. Ich grinste. Sie drückte sachte meine Hand.
    Noch nie war der Weg über das Spielfeld so lang gewesen wie an jenem Abend. Ihre Hand zu halten, war kaum auszuhalten, ich verspürte die ganze Zeit den Drang, meine Hand zurückzuziehen, um diesem unerträglichen Glück ein Ende zu machen.
    »Beeil dich«, sagte sie, als wir da waren.
    »Ja«, erwiderte ich.
    In der Kabine lehnte ich auf der Bank sitzend den Kopf an die Wand. Mein Herz pochte wie wild. Dann riss ich mich zusammen, zog mich in Windeseile an und ging hinaus. Sie standen mit ihren Fahrrädern auf der Straße unterhalb des Platzes. Ich ging zu ihnen und stellte mich neben Kajsa. Sie schien gut gelaunt zu sein, strich sich mit ihrer kleinen Hand eine

Weitere Kostenlose Bücher