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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Wir gingen an dem alten weißen Haus und der alten roten Scheune vorbei. Der Himmel war wolkenlos und blau. Die Sonne hing lautlos und lodernd über den Anhöhen im Westen. Ihr Licht ließ die Blätter der Laubkronen vor uns intensiv leuchten. Die Luft war von Vogelgesang erfüllt. Ich war kurz davor, mich zu übergeben. Wir erreichten den Pfad. Jetzt sickerte das Licht so zwischen den Kronen hindurch, wie ich es mir vorgestellt hatte. Es wurde ähnlich gebrochen wie unter Wasser. Säulen aus Licht, schräg auf den Boden gestellt.
    Ich blieb stehen.
    »Wir können die Räder hier abstellen«, sagte ich.
    Das taten wir, traten die Ständer herunter, lehnten die Räder darauf. Ich ging den Pfad hinab. Sie folgte mir. Ich sah mich nach einer passenden Stelle zum Hinlegen um. Gras oder Moos. Unsere Schritte klangen unnatürlich laut. Ich wagte es nicht, sie anzusehen, aber sie war direkt hinter mir. Da vorne. Da war es schön.
    »Hier können wir uns hinlegen«, sagte ich, sah sie aber nicht an, als ich mich setzte. Zögernd ließ sie sich neben mir nieder. Ich steckte die Hand in die Tasche und griff nach der Uhr, zog sie heraus und hielt sie ihr in der offenen Handfläche hin.
    »Wollen wir die Zeit nehmen und messen, wie lange wir uns küssen können?«, fragte ich.
    »Wie bitte?«, sagte sie.
    »Ich habe hier die Uhr«, erläuterte ich. »Tor hat zehn Minuten geschafft. Wir werden länger schaffen.«
    Ich ließ die Uhr auf die Erde fallen, merkte mir, dass es zwölf nach halb acht war, legte die Hände auf ihre Schultern, beugte sie nach hinten und führte gleichzeitig meinen Mund zu ihren Lippen. Als wir ganz auf der Erde ruhten, steckte ich meine Zunge in ihren Mund, wo sie ihrer begegnete, die spitz und weich war wie ein kleines Tier, und begann, meine Zunge immer um ihre kreisen zu lassen. Die Hände hatte ich an den Körper angelegt, so dass ich sie mit nichts als Mund und Zunge berührte. Unsere Körper lagen dort unter den Baumwipfeln wie zwei kleine aufliegende Boote nebeneinander. Ich konzentrierte mich darauf, die Zunge möglichst reibungslos rotieren zu lassen, während der Gedanke an ihre Brüste, die so nahe waren, und an ihre Schenkel, die so nahe waren, und an das, was zwischen ihren Schenkeln war, unter der Hose, unter dem Slip, unablässig in mir brannte. Trotzdem wagte ich es nicht, sie anzufassen. Sie hatte die Augen geschlossen und ließ ihre Zunge um meine kreisen, meine Augen standen offen, und ich tastete nach der Uhr, fand sie und zog sie in Sichtweite. Drei Minuten. Aus ihrem Mundwinkel lief ein wenig Spucke. Sie wand sich ein wenig. Ich presste den Unterleib auf die Erde und ließ meine Zunge immer weiter kreisen. Es war nicht so schön, wie ich geglaubt hatte, tatsächlich war es ziemlich anstrengend. Ein paar trockene Blätter knisterten unter ihrem Kopf, als sie ihn bewegte. Unsere Münder waren mit zähem Speichel gefüllt. Inzwischen waren wir bei sieben Minuten. Fehlten noch vier. Mmm, machte sie, aber es war kein wohliger Laut, irgendetwas stimmte nicht, sie bewegte sich ein wenig, aber ich ließ nicht locker, folgte mit dem Kopf nach und ließ die Zunge weiter kreisen. Sie öffnete die Augen, sah aber nicht mich an, sondern starrte in den Himmel über uns. Neun Minuten. Die Zungenwurzel tat weh. Immer neuer Speichel lief aus den Mundwinkeln. Ab und zu stieß meine Zahnspange gegen ihre Zähne. Im Grunde brauchten wir uns nicht mehr als zehn Minuten und eine Sekunde zu küssen, um Tor geschlagen zu haben. Und das war jetzt. Jetzt hatten wir ihn geschlagen. Aber wir konnten ihn natürlich deklassieren. Fünfzehn Minuten, das sollte möglich sein. Das waren nur noch fünf Minuten. Aber meine Zunge tat weh, und es kam mir vor, als wüchse sie im Mund, und die Spucke, die man kaum bemerkte, wenn sie warm war, wurde fast ein bisschen eklig, wenn sie abgekühlt über das Kinn lief. Zwölf Minuten. Reicht das vielleicht? Reicht es jetzt? Nein, noch ein bisschen. Ein bisschen, ein bisschen.
    Genau drei Minuten vor acht zog ich den Kopf zurück. Sie richtete sich auf und wischte sich mit der Hand den Mund ab, ohne mich anzusehen.
    »Wir haben fünfzehn Minuten geschafft!«, rief ich und stand auf. »Wir haben ihn mit fünf Minuten Vorsprung geschlagen!«
    Glänzend standen unsere Räder hinten am Weg. Wir gingen zu ihnen, und sie bürstete Blätter und Zweige von Hose und Oberteil.
    »Warte mal«, sagte ich. »Du hast da noch was auf dem Rücken.«
    Sie blieb stehen, und ich zupfte Krümel

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