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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Grippe
    Meine Penizillinkur ist noch nicht vorbei
    Warum müssen wir gegen die immer selbe alte Mauer anrennen,
    Wenn wir erkennen, dass wir kein Interesse haben
    Alles geht vorüber – alles muss enden
    Du legst dich hin und schläfst, erwachst zu etwas Neuem
    Kein Weg führt jetzt zurück, es gibt nichts zu danken,
    Nichts ist der Rede wert, nimm deinen Mantel und geh
    »Alles geht vorüber«, sagte Yngve, als das Lied vorbei war und der Tonarm selbsttätig zu seiner kleinen Halterung zurückkehrte. »Alles muss enden. Du legst dich hin und schläfst und erwachst zu etwas Neuem.«
    »Ich verstehe, was du meinst«, sagte ich.
    »Hat dir das geholfen?«
    »Ja, ein bisschen. Kannst du mir das Lied noch einmal vorspielen?«
    Glücklicherweise merkten meine Eltern beim Essen nicht, dass ich geweint hatte. Hinterher ging ich hinaus, denn ich war zu rastlos, um im Haus zu bleiben, und da die Straße menschenleer war und meine besten Bekannten im Urlaub waren, schlurfte ich zu den Anlegern hinunter. Dort stand eine ganze Clique um Jørns Boot herum, das in dem Jahr neu war. Im Frühjahr hatten viele ein Boot bekommen, auch Geir Håkon und Kent Arne, der eine ein GH 10, der andere ein With Dromedille, ebenfalls zehn Fuß lang, beide mit einem 5-PS-Yamaha-Außenbordmotor ausgestattet.
    Ich ging zu ihnen.
    »Da haben wir ja auch unseren Femi«, bemerkte Jørn, als ich stehen blieb.
    Da war wieder dieses Wort.
    Sie lachten, wodurch mir klar wurde, dass es nicht positiv gemeint war.
    »Hallo«, grüßte ich.
    Jørn ließ mit ein, zwei Zügen an der Schnur den Motor an.
    »Komm mal her, Karl Ove«, sagte er.
    »Nein«, erwiderte ich. »Lieber nicht.«
    »Ich will dir nur etwas zeigen«, meinte er und sah seinen kleinen Bruder an. »Setz zurück, wenn ich Bescheid sage.«
    Der kleine Bruder nickte.
    Ich machte ein paar zögernde Schritte nach vorn. Als ich auf dem Rand des Anlegers stehen blieb, schlang er plötzlich die Arme um meine Beine.
    »Setz zurück!«, rief er seinem Bruder zu.
    Das Boot fuhr rückwärts, ich ging in die Hocke, die Beine wurden unter mir weggezogen, ich fiel, und dann wurde ich über die Kante geschleift, denn Jørn ließ meine Beine nicht los, und das Boot fuhr weiter rückwärts. Ich bekam den Rand des Stegs mit den Fingern zu fassen und klammerte mich fest. Der kleine Bruder gab Gas, der Motor surrte, und ich hing mit den Beinen im Boot, dem Körper über dem Wasser und den Händen auf dem Anleger. Ich rief, dass sie aufhören sollten. Ich brach in Tränen aus. Die anderen, die um uns herumstanden, beobachteten grinsend, aber neutral, was sich vor ihren Augen abspielte.
    »Das reicht!«, rief Jørn.
    Das ganze Intermezzo hatte ungefähr eine Minute gedauert. Sein Bruder fuhr das Boot wieder etwas vor. Jørn ließ meine Beine los, und ich kletterte auf den Steg und ging heulend und so schnell ich konnte davon. Die Tränen versiegten erst, als ich oben an der Klippe war, wo ich mich eine Weile in der warmen, stehenden Luft hinsetzte, die mit Gerüchen von sonnenwarmem Fels, trockenem Gras und wilden Pflanzen gesättigt war.
    Ich überlegte, ob ich Kajsa anrufen und sie fragen sollte, warum sie Schluss gemacht hatte, damit ich daraus für das nächste Mal meine Lehren ziehen konnte, aber es erschien mir zu kompliziert, ich hatte das Ganze schon im Ohr, ihr Zögern und mein Tasten, wozu, es war aus, sie wollte einfach nicht mehr mit mir zusammen sein.
    Immer noch mit weichen Knien und bebendem Körper stand ich auf und ging nach Hause. Im Bad wusch ich mir lange das Gesicht und zog anschließend die Vorhänge zu, da ich nicht wollte, dass etwas von draußen zu mir hereindrang, ich ließ Motörhead, Ace of Spades, laufen, aber das passte nicht, also nahm ich die Kassette heraus, legte stattdessen die neue Soloplatte Paul McCartneys ein und begann ein Buch von Bagley zu lesen, das ich mir von meinem eigenen Geld gekauft hatte, es hieß Die verhängnisvolle Botschaft , ich hatte es schon einmal gelesen, aber es ging darin um die Pyramiden in Südamerika, die riesigen Unterwasserhöhlen dort, in die seine Hauptfigur auf der Jagd nach einem Schatz tauchte, hinter dem auch andere her waren …
    Als ich mich zum Abendessen an den Tisch setzte, sah Mutter mich lächelnd an.
    »Es wird vielleicht Zeit, Karl Ove, dass du anfängst, ein Deo zu benutzen«, sagte sie. »Ich könnte dir morgen eins kaufen.«
    »Ein Deo?«, fragte ich verständnislos.
    »Ja, meinst du nicht? Du gehst doch jetzt bald in die Gesamtschule

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