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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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ihn so weit abzukühlen, dass ich die Tasse in einem Schluck leeren konnte, und stand auf.
    »Danke fürs Essen«, sagte ich.
    »Gern geschehen«, erwiderte Mutter. »Gehst du ins Bett?«
    »Ich glaube schon«, antwortete ich.
    »Dann gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Er kam herein, bevor ich das Licht gelöscht hatte.
    »Setz dich auf«, sagte er.
    Ich setzte mich auf.
    Er sah mich lange an.
    »Karl Ove, mir ist zu Ohren gekommen, dass du geraucht hast«, sagte er.
    »Was?«, rief ich aus. »Das habe ich nicht! Ich schwöre es, das ist die Wahrheit.«
    »Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört. Ich habe gehört, dass du geraucht hast.«
    Ich schaute schnell auf und begegnete seinem Blick.
    »Hast du es getan?«, fragte er.
    Ich senkte den Blick.
    »Nein«, sagte ich.
    Schon war seine Hand an meinem Ohr.
    »Und ob du geraucht hast«, sagte er und drehte es um. »Habe ich recht?«
    »Ne-ein!«, rief ich.
    Er ließ los.
    »Rolf hat es mir gesagt«, sagte er. »Willst du etwa behaupten, dass Rolf mich anlügt?«
    »Ja, er muss dich angelogen haben«, antwortete ich, »ich habe nämlich nicht geraucht.«
    »Aber warum sollte Rolf mich anlügen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich.
    »Und warum weinst du jetzt? Wenn dein Gewissen rein ist? Ich kenne dich, Karl Ove. Ich weiß, dass du geraucht hast. Aber das wirst du nie wieder tun, deshalb lasse ich es für diesmal gut sein.«
    Er drehte sich um und ging ebenso finster, wie er gekommen war.
    Ich wischte mit dem Bettbezug die Tränen fort, blieb liegen und starrte, plötzlich hellwach, eine Weile an die Decke. Geraucht hatte ich noch nie.
    Aber er hatte gewusst, dass ich etwas angestellt hatte.
    Woher hatte er das gewusst?
    Wie konnte er das nur wissen?
    Am nächsten Tag schafften wir es einfach nicht, uns von der Insel fernzuhalten, und ruderten an ihr vorbei.
    »Die ist ja ganz schwarz!«, rief Geir, während seine Arme auf den Rudern lagen.
    Wir mussten so lachen, dass wir fast ins Wasser gefallen wären.
    Obwohl dieser Sommer oberflächlich betrachtet genauso war wie alle anderen Sommer – wir besuchten die Verwandten in Sørbøvåg, wir besuchten Großmutter und Großvater aus Kristiansand in ihrem Sommerhaus, und die restliche Zeit hing ich in der Siedlung herum und trieb mich mal mit dem einen, mal mit dem anderen herum, wenn ich nicht alleine auf dem Bett lag und las –, so war er untergründig doch ganz anders beschaffen, denn was mich erwartete, während er verstrich, war nicht nur ein Schuljahr wie alle anderen neuen Schuljahre, oh nein; an unserem letzten Schultag im Juni hatte der Rektor eine Rede vor uns gehalten, weil wir nun von der Grundschule Sandnes abgehen würden, unsere Zeit dort war vorbei, nach den Sommerferien würden wir in die siebte Klasse der Gesamtschule Roligheden kommen. Wir waren keine Kinder mehr, sondern Jugendliche.
    Den ganzen Juli über arbeitete ich bei einem Gärtner, stand vom frühen Morgen an unter der brennenden Sonne auf den Feldern und pflückte oder verpackte Erdbeeren, dünnte Möhren aus, saß mittags an einen Felsbrocken gelehnt und schlang möglichst schnell meine Brote hinunter, um mit dem Fahrrad zum See Gjerstadvannet fahren und dort kurz ins Wasser springen zu können, ehe die Arbeit weiterging. Meinen gesamten Verdienst wollte ich während des Norway Cups als Taschengeld ausgeben. In der Turnierwoche wanderten Mutter und Vater in den Bergen. In diesem Sommer gab es eine Hitzewelle, und als wir eines unserer Spiele auf einem Aschenplatz austrugen, war es so heiß, dass ich ohnmächtig und zu einer Art Feldlazarett mitten auf dem Gelände gefahren wurde, wo ich gegen Abend wieder zu mir kam. Irgendwo in der Ferne hörte jemand Roxy Musics More Than This, und ich blickte zum Zeltdach hinauf und war aus irgendeinem Grund, den ich nicht begriff, aber dankend annahm, so glücklich wie nie zuvor in meinem Leben.
    Lag es vielleicht daran, dass ich mich in diesen Tagen Kjell angeschlossen und die Lieder von Police so laut gesungen hatte, dass sie von den Wänden in der U-Bahn widerhallten, mit fremden Mädchen ins Gespräch gekommen war, einem Straßenverkäufer einen Haufen Buttons abgekauft hatte, unter anderem von The Specials und The Clash, zusätzlich zu einer schwarzen Sonnenbrille, mit der ich herumlief, solange ich wach war?
    Doch, das konnte durchaus der Grund sein. Kjell war ein Jahr älter als ich und der Junge in der Schule, für den die Mädchen am meisten schwärmten. Seine Mutter war Brasilianerin, aber er

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