Spielen: Roman (German Edition)
rauchte und krachte, so dass uns sein Unterricht gefiel. In Musik hatten wir Konrad, er leitete den Jugendclub, trug blusenartige Hemden und darüber schwarze Westen, hatte eine Brille, ein rundes Gesicht, einen Schnurrbart und eine kleine Glatze, war jovial und gab sich jugendlich, so dass ihn alle mit dem Vornamen ansprachen, in Mathe hatten wir Yngves früheren Klassenlehrer Vestad, einen rotwangigen, glatzköpfigen Mann mit Brille und stechenden Augen, in Hauswirtschaft Hansen, eine grauhaarige, strenge, fast wie eine Missionarin wirkende Lehrerin mit Brille, die ein echtes Interesse daran zu haben schien, uns beizubringen, wie man Fischfrikadellen zubereitete und Kartoffeln kochte, in Englisch, Norwegisch, Religion und Gesellschaftskunde hatten wir unseren Klassenlehrer, Kolloen, einen großen und hageren Mann Ende zwanzig mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen und wenig Geduld, der die meiste Zeit Distanz zu uns hielt, bei dem jedoch ab und zu völlig überraschend und unvermittelt Einfühlungsvermögen und Anteilnahme aufblitzten.
Diese Lehrer äußerten sich nicht nur in generellen Kommentaren und Beurteilungen zu uns, wie die Lehrer in der Grundschule es getan hatten, nein, hier wurde alles, was wir taten, benotet. Das ließ eine ganz neue Spannung in der Klasse entstehen, denn auf einmal bekamen wir unsere gesammelten Vermutungen über die Stärken und Schwächen unserer Mitschüler schwarz auf weiß. Es war unmöglich, die Noten für sich zu behalten, oder vielmehr, es wäre schon gegangen, war aber verpönt. Ich stand zwischen eins und zwei, schaffte in seltenen Fällen eine drei und fiel ebenso selten auf eine glatte eins zurück, aber auch wenn ich dies im Klassenzimmer nicht verbarg, ging ich außerhalb davon doch dazu über, es herunterzuspielen, da ich in den letzten Monaten langsam, aber sicher die Signale verstanden hatte, nach denen es alles andere als positiv war, gut in der Schule zu sein. Eine gute Note war im Gegensatz zu dem, was man doch eigentlich annehmen sollte, ein Zeichen für einen Mangel, für eine Charakterschwäche, und nicht das Gegenteil, was sie ursprünglich einmal hatte ausdrücken sollen. Mein Status hatte sich über einen langen Zeitraum hinweg kontinuierlich verschlechtert, und deshalb versuchte ich nun, diese Entwicklung umzukehren und mir wieder einen guten Ruf zu erarbeiten, aber natürlich, ohne so konkret und handfest darüber nachzudenken, alles basierte auf Ahnungen und Intuition als Folge der sozialen Korrekturen, die für jeden von uns allgegenwärtig waren. Für mein Vorhaben war mir der Fußball von großem Nutzen, über den ich viele kennengelernt hatte, die hier schon in die achte und neunte Klasse gingen, darunter vier oder fünf, zu denen sowohl die Jungen als auch die Mädchen aufblickten. Deshalb konnte ich als Einziger aus meiner Klasse zu der Clique gehen, in der Ronny stand oder Geir Helge oder Kjell oder alle zusammen, ohne dass sie mich fragend anstarrten oder mich schikanierten. Natürlich beachteten sie mich nicht weiter, sie schenkten mir nicht viel, aber das war auch nicht so wichtig, viel wichtiger war, dass ich tatsächlich dort stehen durfte und bei ihnen stehend gesehen wurde. Geir, Geir Håkon und Leif Tore hatten über Nacht ihren Status als kleine Könige verloren und waren zu Narren degradiert worden, hier waren sie niemand, hier mussten sie sich neu erfinden, und wer weiß schon, ob ihnen das im Laufe der drei Jahre gelang, die ihnen dafür zur Verfügung standen. Ich blickte nicht mehr in ihre Richtung, außer in unserer Klasse, die jedoch nicht mehr zählte.
Im Laufe der ersten Wochen in der Gesamtschule wurde Lars mein neuer bester Freund. Er ging in die Parallelklasse und verkörperte dadurch etwas Neues, er wohnte in Brattekleiv, wo wir aus Tybakken nur selten hinkamen, und spielte Fußball. Er war ein geselliger Mensch, kannte viele und kam mit allen gut aus. Er hatte rotblonde, gelockte Haare, war immer gut gelaunt, lachte laut, wohltönend und selbstsicher, erlaubte sich Scherze mit allen, war dabei aber nur selten boshaft. Sein Vater war früher Eisschnelllaufeuropameis ter gewesen und hatte an mehreren Weltmeisterschaften und Olympiaden teilgenommen, unter anderem in Squaw Valley, ihr Partykeller war voller Pokale, Medaillen, Urkunden und beherbergte zudem einen großen, vertrockneten und verblichenen Lorbeerkranz. Er war freundlich und fürsorglich, aber resolut und mit einer Dänin verheiratet, die gar nicht wusste, wie gut
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